Als die 35-jährige Xenia Balandina erstmals darüber nachdachte, keine Zeit mit Haushaltspflichten zu vergeuden, kaufte sie sich eine Geschirrspülmaschine und einen Multikocher. Das war vor vierzehn Jahren.
Xenia Balandina
Aus dem persönlichen ArchivDamals gab es im russischen Fernsehen eine Werbung für die Geschirrspültabs Finish. Ein kleines Mädchen umarmt ihr Buch und beobachtet mit Tränen in den Augen, wie ihre Mutter sich den Schweiß von der Stirn abwischt, während sie am Spülbecken voll mit schmutzigem Geschirr steht. „Sie wird ihr keine Gutenachtgeschichte vorlesen. Denn sie ist keine Frau, sondern eine Spülmaschine!“, kommentiert die Off-Stimme.
Ein bisschen sexistisch? Ja, aber damals gab es in der russischen Gesellschaft noch eine rechte deutliche Aufteilung der Geschlechterrollen (inzwischen hat sich die Situation verbessert). Die Frau reinigt, kocht und räumt auf. Meistens ist sie zudem auch noch berufstätig.
„Ich war total sauer! Ich hasste meinen Mann und alle anderen um mich herum. Es hat mich genervt, diese Teller zu waschen oder eine Stunde früher aufzustehen, um das Essen vorzubereiten“, erinnert sich Xenia. Sie beschloss, alles zu ändern.
In ihrer Outsourcing-Liste gibt es ein Kindermädchen, eine Putzfrau, einen Personal-Trainer, eine persönliche Assistentin für Dienstreisen, eine Stylistin für den Einkauf, einen Lieferservice für die Bestellungen aus dem Supermarkt und einen professionellen „Abholer“, der die Kinder nach der Schule nach Hause bringt. Im Monat gibt sie für diese Dienstleistungen durchschnittlich umgerechnet 550 Euro aus – Stylistin und Kosmetologin sind dabei noch gar nicht eingerechnet.
Sie beendet ihre Aufzählung mit dem Satz: „Eigentlich alles ziemlich normal.“ Dies ist der Standard für sie geworden.
Xenia lebt in Moskau, ist seit fünfzehn Jahren verheiratet und hat zwei Kinder. Sie erinnert an Miranda Hobbs von „Sex and the City“ – eine zielstrebige, unabhängige Karrierefrau, dank der sich auch Feministinnen in diese Serie verlieben können.
Sie ist gerade aus Budapest zurückgekehrt, wo sie ihren ersten Halbmarathon absolvierte.
„Am Anfang habe ich alles, was ich verdient habe, für diese Serviceleistungen ausgegeben. Dann habe ich angefangen, mehr zu verdienen“, erinnert sie sich. Jetzt leitet sie Webinare und einen Telegramm-Kanal zu Zeitmanagement für berufstätige Mütter.
Delegieren ist ein beliebtes Thema. Die Kosten für den Online-Kurs variieren je nach Leistungspaket zwischen 170 und 870 Euro. Das Fazit lässt sich jedoch auf einen Satz reduzieren: Überrede dich selbst, jemanden einzustellen, der dir hilft.
„Ich musste mich wirklich irgendwie entlasten. Der Wendepunkt war, als wir aufgefordert wurden, sämtliche Arbeiten aufzuschreiben. Als ich im Bereich ,Haushalt´ 243 Punkte erzielte, brach ich vor Müdigkeit und Selbstmitleid in Tränen aus“, schreibt (rus) Jelena, eine der Teilnehmer des Outsourcing-Webinars.
Zu Beginn ihrer Entwicklung zur Outsourcerin stellte Xenia stundenweise ein Kindermädchen ein, das mit ihrem Kind spazieren ging. Jetzt sagt sie, sie verstehe nicht, wie Frauen im Winter drei Stunden spazieren gehen können. Sie erklärt eine einfache Regel: „Das Entscheidende ist, dass dein Stundenverdienst nicht niedriger ist als die Kosten für eine Stunde Kindermädchen (oder jemand anderes), sonst geht es am Ende nicht auf.“
Sie versichert, dass es für sie kein Selbstzweck ist, alles an andere zu delegieren: „Ich habe meine Ziele. Wenn ich etwas dafür outsourcen muss, dann ist das in Ordnung.“
Outsourcing ist keine Geschichte über Frauen, es ist eine Geschichte über moderne, wohlhabende Männer, sagt Maxim Judin, Verkaufsdirektor bei der QBF Investment Company. „Ich glaube, dass es Dienstleistungen gibt, die besser delegiert werden sollten. Zum Beispiel sind Fachleute besser darin, eine Wohnung zu reinigen, schmackhaftes und gesundes Essen zuzubereiten und Kleidung zu nähen.
Viermal im Monat kommt eine Reinigungsfirma zu ihm und seiner Frau. Sie machen sauber, solange niemand zu Hause ist, und geben dann den Schlüssel an der vereinbarten Stelle ab. Alle sechs Monate geht Maxim zur Maßschneiderei, um sich neue Anzüge und Hemden anfertigen zu lassen: „Ich verliere keine kostbare Zeit mit Shopping und habe immer eine Garderobe, die auf meinen Körper zugeschnitten ist.“ Der Anzug ist nach ein paar Wochen fertig und wird dann ins Büro oder nach Hause geliefert. Auch beim Essen ist alles geregelt – es wird von einer Spezialfirma zubereitet. Cafés und Restaurants, glaubt Maxim, können da nicht mithalten. Er und seine Frau benötigen nicht nur die berechnete Kalorienmenge, sondern das für sie ermittelte Verhältnis von Protein, Fett und Kohlenhydraten in der Ernährung.
„Jeden Tag werden mir um sechs Uhr morgens fünf Kartons für fünf Mahlzeiten gebracht. Es wird kein Salz hinzugefügt und es sind ausgewogene Gerichte. Ich denke nicht mehr darüber nach, dass ich nach der Arbeit noch einkaufen muss, und brauche nicht zu überlegen, was ich kochen soll, um dann für eine Stunde am Herd zu stehen“, sagt Julia, die im öffentlichen Dienst arbeitet. Die Mahlzeiten für fünf Tage kosten für sie 85 Euro oder etwas mehr, wenn sie ein individuelles Menü wünscht.
Margarita ist einunddreißig. Die ehemalige Top-Managerin im Einzelhandel hat jetzt ihre eigene Einzelhandelskette mit 17 Läden im ganzen Land. Sie sagt, dass ihre Arbeit keinen Urlaub und keine Wochenenden kennt. Tatsächlich hat sie zwei Jobs. Wie ihr Ehemann. Egal ob sie Tee trinkt, im Stau steht oder am Pool liegt, sie ist immer noch auf Arbeit – mit ihrem Smartphone und einem Laptop auf dem Schoß. Zwei Kindermädchen kümmern sich abwechselnd um ihr Kind, es gibt zwei Fahrer in der Familie, eine Haushälterin. Die macht in Moskau die Zweizimmerwohnung sauber, obwohl es laut Margarita dort nicht viel zu putzen gibt – sie sind fast nie zu Hause.
Margarita
Aus dem persönlichen Archiv„Ich sage nicht, dass die Art, wie wir leben, gut oder schlecht ist. Für uns ist das normal“. Margarita sitzt in einem Besprechungsraum in ihrem Büro, wo sie ungestört arbeiten kann. Aber viele verurteilen sie: „Du siehst dein Kind gar nicht.“
Alles, was die Leute sehen, ist wie auf dem Parkplatz vor dem Haus erst eines ihrer Autos erscheint, dann das zweite, dann das dritte. „Wir sind physisch nicht anwesend. Aber diese Autos haben wir nicht unseren Eltern zu verdanken“, sagt Margarita. Auf die Frage nach dem Grund antwortet sie kurz: Sie wolle, dass ihr Kind nicht in der üblichen Moskauer Schule, sondern in London lernt. Jeder hat halt seinen eigenen „Film“ im Kopf.
Aber ja, sie sei vollkommen glücklich mit ihrem Leben. Die Kosten der „ausgelagerten“ Dienstleistungen betragen mindestens 2000 Euro im Monat.
„Betrachte ich die Anwesenheit von Dienstpersonal als Erfolg? Nein!“ Sie erzählt, wie sie in einer Einzimmerwohnung gelebt und bis sechs Uhr gearbeitet habe. Anschließend habe sie alle Arbeiten im Haushalt selbst erledigt – sie hatte die Zeit dafür. Inzwischen zählt sie das Geld und nicht die gesparte Zeit.
Manchmal hört sie von anderen Frauen, wie diese sich über die Pflichten im Haushalt beschweren – wie jeden Tag nach der Arbeit zu Hause das Bügeln, Waschen, Kochen, Saubermachen auf sie wartet. Margarita zuckt nur mit den Schultern: „Sie mögen es also. Ansonsten würden sie etwas tun, um die Situation zu ändern.“
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