Duma-Wahlen: Frische-Kur für Einiges Russland

Anhänger der kremlnahen Jugendorganisation „Naschi“ („Die Unseren“) feiern den Sieg der Regierungspartei Einiges Russland bei den letzten Duma-Wahlen im Dezember 2011. „Ich bin dafür“, steht auf ihren Flaggen mit Putin-Aufdruck.

Anhänger der kremlnahen Jugendorganisation „Naschi“ („Die Unseren“) feiern den Sieg der Regierungspartei Einiges Russland bei den letzten Duma-Wahlen im Dezember 2011. „Ich bin dafür“, steht auf ihren Flaggen mit Putin-Aufdruck.

EPA
Mit den nächsten Duma-Wahlen kommt auf die Jedinaja Rossija eine große Hürde zu. Das alte Image und die aktuelle Wirtschaftskrise drohen der russischen Regierungspartei zum Verhängnis zu werden. Eine neue Ideologie und evolutionärer Wandel an der Spitze sollen die Lage retten.

Erstmals in ihrer Geschichte zieht Einiges Russland – Russlands Partei mit den höchsten Umfragewerten und der größten Nähe zur Macht – in einer Wirtschaftskrise in den Wahlkampf. Zwar soll die Duma erst im kommenden September neu gewählt werden, die Parteiführung ist jedoch jetzt schon beunruhigt.

Auf ihrem Parteitag Anfang Februar diskutierte die Jedinaja Rossija ihre Strategie in diesen wirtschaftlich stürmischen Zeiten: „Russland wurde nicht in einer wirtschaftlichen Gutwetterlage stark, sondern immer dann, wenn wir solidarisch waren“, betonte in seiner Parteitagsrede der Parteivorsitzende und amtierende Ministerpräsident Dmitrij Medwedjew. Doch hat die neue Idee der nationalen Solidarität wirklich das Potenzial, die Regierungspartei vor einer Wahlniederlage zu bewahren?

CDU ohne einheitliche Ideologie

Die letzten Staatsduma-Wahlen 2011 wurden für die Partei zu einem PR-Desaster: Wahlfälschungsvorwürfe machten die Runde, nach der Veröffentlichung von Wahlergebnissen kam es zu Straßenprotesten und der Slogan „Einiges Russland ist eine Partei von Gaunern und Dieben“ prägte sich ins Bewusstsein vieler Wähler ein. Entstanden ist dieses Image aber nicht über Nacht. Es entwickelte sich über Jahre.

Anhänger der kommunistischen Partei protestieren gegen die Wahlverstöße im Dezember 2011 im sibirischen Krasnojarsk. „Die Macht muss dem Volk dienen!“ und „Wir gewinnen!“ steht auf den Schildern. Foto: Reuters

Das aus der Vereinigung zweier politischer Strömungen – „Einheit“ und „Vaterland ganz Russland“ – 2001 hervorgegangene Einiges Russland war größtenteils eine Partei regionaler Eliten. Unter der Marke „Jedinaja Rossija“ sollten die Positionen regionaler Machthaber und die Politik des föderalen Zentrums, also Moskaus, konsolidiert werden. Allein eine ideologische Einheit sah das Konzept nicht vor.

„Die Partei hat einen patriotisch-konservativen und einen sozialen, linkszentrischen Flügel. Das sind gewissermaßen innerparteiliche Fraktionen“, sagt der Forschungsdirektor vom kremlnahen Institut für sozio-wirtschaftliche und politische Studien, Alexander Poschalow. Angesichts der allzu deutlichen Schwäche liberaler Parteien im Land in den letzten 15 Jahren decke Einiges Russland auch die Mitte-Rechts-Flanke der russischen Parteienlandschaft ab: „Das sind liberalorientierte Wähler – jener Teil der Mittelschicht, der in den 2000er-Jahren aufgekommen ist und sich als Anhänger des Präsidenten versteht“, erklärt der Politologe.

Jedinaja Rossija sei also keine typische Partei mit einer einheitlichen ideologischen Leitlinie, weise jedoch zugleich Züge der deutschen CDU/CSU auf, präzisiert Dmitrij Orlow, Generaldirektor der Agentur für politische und wirtschaftliche Kommunikation.

Makel: Beamten-Image

Über Jahre hinweg waren die Spitzenkandidaten der regionalen Wahllisten von Einiges Russland Gouverneure oder regionale Minister. Bald bekam es das Etikett einer Beamten- und Bürokratenpartei verpasst. Aufgrund der Nähe zu Putin und dem Machtapparat wurde die Partei in der Wahlkampagne 2011 als das nahezu größte Übel der russischen Politik stigmatisiert: Der Wahlslogan „Gib deine Stimme allen, nur nicht dem ER“ mobilisierte Protestwähler und brachte den Kommunisten und anderen Vertretern der parlamentarischen Opposition erhebliche Stimmenzuwächse ein.

Auf ihrem Parteitag Anfang Februar diskutierte die Jedinaja Rossija ihre Strategie in diesen wirtschaftlich stürmischen Zeiten. Foto: Reuters

Das will die Partei dieses Mal verhindern. Wie auf dem jüngsten Parteitag bekannt wurde, soll der Oberste Parteirat zu nahezu einem Drittel erneuert werden. Ein Versuch, die Schwergewichte der Partei durch Vertreter der Zivilgesellschaft – Ärzte, Schauspieler, Schriftsteller, Förderer von Wohltätigkeitsorganisationen – zu ersetzen. „Dies ist ein konstruktiver Evolutionsprozess der Jedinaja Rossija. Die Partei will ihr Beamten-Image loswerden“, erklärt Poschalow.

Opposition ohne Farbe und Machtanspruch

Die Umfragewerte der Partei spiegeln die Beliebtheit des Präsidenten wider. Zwar wirke sich die gegenwärtige wirtschaftliche Krise auf das Rating des Präsidenten nicht aus, doch „an der Partei kann der Wähler seinem Ärger ganz gut Luft verschaffen. Und für den kommenden Wahlkampf ist das ein Risiko“, meint Jekaterina Schulman vom soziologischen Institut der Russischen Akademie für Volkswirtschaft und öffentlichen Dienst.

Protestwahlen seien dennoch nicht zu erwarten, sagen Experten. Zum einen habe sich die parlamentarische Opposition in der laufenden Periode durch eine große Zahl restriktiver Initiativen hervorgetan. „Daher verblasst der Unterschied zwischen den Oppositionellen und Einiges Russland in der Wählerwahrnehmung“, erläutert der Direktor des Internationalen Instituts für Politikanalyse, Jewgenij Mintschenko. Zum anderen würden die Vertreter der parlamentarischen Opposition überhaupt keinen Anspruch auf eine Mehrheit in der Duma erheben. Sie wollten lediglich die Interessen ihrer Klientel bedienen.

„Gegenwärtig hat sich in Russland ein Eineinhalb-Parteien-System etabliert: Es gibt eine große Regierungspartei und einige kleine, die sich mit deutlich niedrigeren Zustimmungswerten zufriedengeben“, erklärt Dmitrij Orlow. Daher würden sie auch nicht die parlamentarische Mehrheit anvisieren, sondern versuchten nur ihre Nische auszuweiten: „Es ist wie mit Pepsi und Coca-Cola. Pepsi kann ihren 20-prozentigen Marktanteil höchstens um ein Prozent steigern, aber nicht den Riesen besiegen“, bringt es der Kommunikationsexperte auf den Punkt.

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