Die Putin-Interviews: Was Russlands Präsident nur Oliver Stone erzählte

Russlands Präsident Wladimir Putin beim Interview-Termin

Russlands Präsident Wladimir Putin beim Interview-Termin

Reuters
Der US-TV-Sender Showtime zeigte diese Woche eine vierteilige Interviewserie des berühmten Regisseurs Oliver Stone mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Von den Enkeln bis hin zum fehlenden Vertrauen zu den USA - in vier Filmstunden erörterten Stone und Putin vieles und davon einiges auch erstmals in der Öffentlichkeit.

"Hat denn früher nie jemand auf Sie eingeprügelt?", fragt Putin den Regisseur in den letzten Zügen der "Putin-Interviews" und meint damit die Stone bevorstehende harsche Kritik für sein vierstündiges Interview-Epos mit dem russsischen Staatschef, die ihm wohl im Westen bevorstünde. Stone sagt, er nehme das gerne in Kauf, wenn sein Film dafür langfristig zu mehr Frieden und gegenseitigem Verständnis in der Welt beitragen könne.

Und viele amerikanische Medien fielen tatsächlich schon vor der Erstausstrahlung der Gesprächsserie mit Putin über den Regisseur her: Stone sei viel zu weich gegenüber Putin vorgegangen, habe ihm keine kritischen Fragen gestellt oder sich schon mit der ersten Antwort des russischen Spitzenpolitikers zufrieden gegeben, anstatt mit ihm zu streiten. Stone wiederum, der immerhin über ein Jahr lang an dem Film gearbeitet hatte, erwiderte, dass es nie sein Ziel gewesen sei, einen Konflikt zu erzeugen. Er habe vielmehr so mit Putin sprechen wollen, dass er mit dem FIlm am Ende dessen Perspektive auf die Ereignisse in der Welt nachvollziehbar machen könne. Aber was genau hat Putin denn in den stundenlangen Gesprächen wirklich erzählt?

An privater Front

Traditionell hält sich Russlands Präsident kurz, wenn es um seine Familie geht. Stone hat er aber dennoch etwas erzählt - etwas, was man bis dato selbst in Russland selbst noch nicht wusste: zum Beispiel, dass er im Alter von 64 Jahren sogar schon Enkelkinder hat  - die Kinder seiner zwei Töchter (Darauf kam er zuletzt auch bei seiner TV-Fragestunde "Direkter Draht" zurück). Er spiele sehr gern mit den Kleinen, so der Präsident, sehe sie aber sehr selten aufgrund seines eigenen, sehr engen Zeitplans. Dennoch nehme die Familie einen besonderen Platz in seinem Leben ein: Konkret erinnert er sich gegenüber Stone an das Jahr 1999, als er gerade erst zum Premierminister ernannt worden war. Damals habe er sich vor allem Sorgen darum gemacht, was denn mit seinen Kindern werde, falls er doch einmal selbst in Ungnade fallen sollte.

Und auch über seine Jugend begann Putin zu plaudern: Im damaligen Leningrad (heute Sankt Petersburg) sei er "vorrangig auf der Straße" groß geworden und recht leichtfertig gewesen. Bis er mit Judo anfing, was sein "Leben zum Besseren hin veränderte". Sport ist im allgemeinen sehr wichtig für den russischen Präsidenten: So begann er beispielsweise noch mit 60 Jahren Eishockey zu spielen - um mal etwas Neues ausprobieren, so der Staatschef.

Im Westen nichts außer Probleme?

Putins grundlegender Vorwurf an den Westen, in erster Linie an die USA, ist dessen Unwilligkeit zum Dialog mit Russland. Washington halte sich selbst für die einzige Weltmacht, was ein imperiales Denken und aggressive Außenpolitik begünstige. "Die Sowjetunuion ist zerfallen, der Kalte Krieg ist Vergangenheit, der Feind ist doch weg", betont Putin und das nicht zum ersten Mal. Aber die USA, fährt er fort, bauten weiter an einem Feindbild Russland, um ihre eigene Dominanz in der Welt zu untermauern.

Kleinere Sünden des Westens zählt Putin lange auf: angefangen beim Tschetschenien-Krieg, als die Amerikaner den dortigen Separatisten geheim Unterstützung gewährten, bis hin zu der, wie er meint, provokativen Politik der Ukraine heute, die letztlich zum Anstieg des Nationalismus in dem Land und zum Bürgerkrieg geführt habe. Eines der militörischen Hauptprobleme sei nun auch die Stationierung der Nato-Raketenabwehrsysteme in Osteuropa, da diese eine neue Runde im Wettrüsten eingeläutet habe. Gleichzeitig nennt Putin die Amerikaner doch immer wieder "Partner" uns besteht darauf, dass es unabdingsbar sei, den Dialog fortzuführen und die Beziehungen wieder in Ordnung zu bringen.

Krim und Syrien

Wenn es um die Krim geht, lehnt Putin den Begriff "Annexion" kategorisch ab, so auch in den Stone-Interviews. Er betont, dass es eine Willenserklärung des Volkes der Schwarzmeer-Halbinsel gewesen sei und russische Militärs nur die Sicherheit wärend des Referendums gewährleisteten. Dann räumt er ein, dass das Verhältnis zwischen Kiew und Moskau gegenwärtig tatsächlich sehr schlecht sei, er aber inständig hoffe, dass sich das mit der Zeit wieder einränke: "Mit der Ukraine verbinden uns doch Tausende Fäden."

In Syrien verfolgt Russland laut seinem Präsidenten derweil zwei Ziele: einem drohenden Kollaps vorzubeugen, wie es früher im Irak und Libyen gesachehen war, und den Terrorismus des sogenannten Islamischen Staates (IS) und anderen Gruppierungen, die ja übrigens auch Russland selbst bedrohten, zu bekämpfen. Die Regierung des syrischen Präsidenten Baschar Assad habe wirklich, auch das räumt Putin ein, "bestimmte Fehler gemacht". Russland sei aber bereit, mit allen Staaten - westlichen und regionalen - im Namen des Anti-Terror-Kriegs zusammenzuarbeiten.

US-Wahlen und Trump

Kategorisch lehnt Putin auch Lob dafür ab, dass er der Mann sei, der die Resultate der US-Präsidentschaftswahlen mithilfe von Cyberangriffen "gemacht" habe. "Das ist eine sehr dumme Aussage", so Putin diesbezüglich. "Wir haben uns niemals mit irgendwelchen Hackerattacken beschäftigt." Weder Russland noch irgendein anderes Land dieser Welt verfüge über Möglichkeiten, Wahlen in den USA zu beeinflussen. Die Niederlage von Hillary Clinton ist für Putin vielmehr die Folge ihres eigenen Versagens und der erfolgreichen Wahlkampagne von Donald Trump. 

Über jenen, den jetzigen US-Präsidenten, spricht Putin in den Stone-Interviews übrigens sehr respektvoll und begrüßt explizit dessen Interesse an einer Verbesserung der Beziehungen zu Russland. Gleichzeitig bleibt Russlands Staatschef aber auch weiter skeptisch: Seiner Meinung nach entscheidet die Persönlichkeit des Präsident in Washington weitaus weniger als der dortige starke und große Bürokratieapparat. Aber trotz alledem sagt Putin: "Hoffnung gibt es immer" - auf eine Verbesserung des Verhältnisses. "Bis man uns zu Grabe trägt." Regisseur Stone lacht: "Das klingt ja sehr russisch!"

Leben in Russland

Und Stone befragte doch auch zu denjenigen innerrussischen Themen, für die Putin und dessen Regierung vom Westen immer wieder kritisiert werden: Beschränkung der Rechte der LGBT-Gemeinschaft, Einschänkung der Pressefreiheit, undemokratisches Regierungssystem - all diese Thesen lehnt Putin klar ab. Seiner Ansicht nach gibt es für Menschen mit "nicht traditioneller sexueller Orientieriung" in Russland keinerlei Grenzen. Hunderte TV- und Radiostationen würden jenseits jeglicher staatlicher Kontrolle arbeiten und Auswechselbarkeit der Regierung nennt er eine Notwendigkeit.

Dann aber weist er auch darauf hin, dass Russland noch nicht so viel Erfahrung mit der Demokratie habe: Bis in die 90er Jahre existrierte der Staat ja als Monarchie und dann unter der kommunistischen Diktatur. "Natürlich ist es unvorstellbar, dass schon heute-morgen bei uns so eine Ordnung eintritt wie in den USA, Deutschland oder Frankreich", sagt Putin in Stones Interview-Marathon. Und auf die womöglich drängendste Frage, die auch Stone stellte und die ebenfalls bei dem "Direkten Draht" am 15. Juni gestreift wurde: "Wird denn nun Putin bei den russischen Präsidentschaftswahlen 2018 noch einmal antreten und wenn er gewinnen sollte, dann bis 2024 weiter regieren?" Aber diese Frage ließ Putin dann doch... unbeantwortet.

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