Wladimir Putin gab sich am Donnerstag selbstsicher.
APSieht so ein künftiger "Opi-Präsident" aus? / AP
In akkuraten 360 Minuten beantwortete Russlands Präsident Wladimir Putin am Donnerstag rund 70 Fragen aus der russischen Gesellschaft, dem Unternehmertum und auch aus dem Ausland. Dabei ging es auch um Syrien, die USA, die Ukraine, ebenso wie entlegene Regionen Sibiriens und des Hohen Nordens bis hin zur Artkis. Von Problemen mit Wohnraum und medizinischer Versorgung über sein Verhältnis zur Opposition, die Straßen auf der Baikal-Insel Olchon und die angeblichen Einmischungen Russlands in die US-Wahlen im Vorjahr sprach der Präsident über alles, was die Bürger beschäftigt, sogar über Persönliches. Dabei gab Putin einmal mehr den großen Staatsmann, der letztlich als einziger Mensch und Politiker noch wirklich alle Probleme lösen kann - von ubternationalen Beziehungen bis hin zu Kohlenstaub im Fernen Osten, Risse in südrussischen Wohnhauswänden und Müllhalten im Moskauer Gebiet.
Wie der Direktor des Politikforschungszentrums der Finanzuniversität bei Russlands Regierung, Pawel Salin, dominiert in Russland immer noch ein "mechanisches" Regierungsprinzip: Die Regierung weiß, dass das Volk ihre volle Aufmerksamkeit in sozialökonomischen Fragen, dem niedrigen Lebensstandard, kaputten Straßen und dem Ausbleiben des versprochenen Geldes erwartet. Aber auf welche Art und Weise wir solche positiven Veränderungen erreichen können, das haben wir nicht gehört. Aus dem 'Direkten Draht' folgt, dass es der einzige Weg zur Verbesserung der eigenen Lage ist, ein Jahr abzuwarten und dann den Präsidenten anzurufen."
Es gab tatsächlich viele Beschwerden, die mit der finanziellen Lage und dem Wohnraum verbunden waren. Und das, obwohl Putin die Sitzung doch mit den Worten begann, dass die Krise eigentlich vorbei sei. Die Menschen hatten danach womöglich etwas Anderes von dem diesjährigen "Direkten Draht" erwartet - zumal es durchaus Putins letzteer Auftritt in dieser Form gewesen sein könnte.
Auf außenpolitische Probleme ging Putin eher weniger ein, aber dazu kamen auch weniger Fragen. Insgesamt machte er in allen Themenbereichen eines deutlich: "Wenn ihr Freundschaft wollt, sind wir bereit. Wenn nicht, dann eben nicht. Wir können warten." Dies ist ein typisch pragmatischer Ansatz, wie Dmitri Orlow, Generaldirektor der "Agentur für politische und wirtschaftliche Kommunikation" erläutert. "Wir haben Interesse an den bestmöglichen Beziehungen mit allen Ländern. Unter bestimmten Bedingungen, natürlich. Die russische Diplomatie wird keine einseitigen Bedingungen schaffen. Sind die Partner interessiert, dann verhandeln wir. Wenn nicht, dann kann die Lage mit den Sanktionen auf unbestimmte Zeit konserviert werden. Und Putin sagte zu Recht, dass die Sanktionen keine Bedrohung der nationalen Interessen sind."
Nach dem "Direkten Draht" stellte sich Putin auch noch den Fragen der anwesenden Journalisten. / AP
In den USA und ihren Medien herrsche zwar Russophobie - darüber beklagte sich sogar ein Anrufer aus dem US-Bundesstaat Arizona -, doch dies sei das Ergebnis des politischen Kampfes, glaubt man im Kreml. "Wäre die Krim nicht gewesen, dann hätte man etwas anderes gefunden, um Russland zu dämpfen", sagte Putin.
Das aber war nichts Neues, sondern nur die schon oftmals geäußerte Haltung des Präsidenten. Er sprach sarkastisch über die Ukraine und wünschte Europa viel Glück mit den ukrainischen "Neulingen". Zu Syrien äußerte sich Putin da schon konsequenter. Das Ziel der russischen Streitkräfte sei die Beilegung des Konflikts. Sollte die syrische Armee stärker werden, dann könne man auch die eigenen Truppen verlagern.
Auf die Beschwerden der Bürger antwortete Putin mehrmals folgendermaßen: "Die Russische Föderation hat Geld zur Verfügung gestellt." Wo es gelandet ist, sei eine andere Frage. Deshalb schlug er vor, bei den Gouverneuren oder der Staatsanwaltschaft nachzufragen. Der Präsident wurde gefragt, ob korrupte Beamte geschützt werden würden. "Ich halte sie nicht für die Meinen", so die Antwort.
Das Thema der Massenproteste gegen die Korruption, die im Vorfeld der Übertragung mit Festnahmen und Anzeigen in ganz Russland endete, wurde ebenfalls angesprochen. Putin wurde gefragt, ob er bereit sei, mit der Opposition zu reden. "Ich bin bereit, mit denjenigen zu sprechen, die das Leben der Menschen verbessern und Probleme lösen wollen. Mit solchen, die die Probleme für Eigenwerbung und Umsatz nutzen, dagegen nicht", sagte der Präsident.Russland befinde sich in einem Umfeld von politischen Turbulenzen, glaubt Orlow. Der Präsident hätte nach den Protesten zwei Möglichkeiten gehabt - entweder alles kommentieren und die Fragen beantworten, oder zeigen, dass es nicht die Demonstranten, sondern der Großteil der Bevölkerung ist, der viel bemängeln habe. Der Präsident habe sich für die zweite Variante entschieden, was vor dem Hintergrund der politischen Turbulenzen angemessen sei, glaubt Orlow.
Es sei immer noch unklar, ob Putin bei den 2018 bevorstehenden Präsidentschaftswahlen teilnehmen könnte oder nicht vielleicht schon einen Nachfolger finden konnte. Putin las selbst vor: "Wem überlassen Sie Ihren Posten? und antwortete: "Erstens arbeite ich immer noch. Zweitens entscheiden das die Wähler. Ich werde meine Vorstellungen noch mitteilen und werde das nicht geheim halten. Aber nur der Wähler kann das entscheiden."
Salin sagt, aus Expertensicht sei auch nichts anderes zu erwarten gewesen. Putin hatte deutlich gemacht, dass es noch zu früh sei, den Wahlkampf zu beginnen: "Aber immerhin die Herausforderungen für den neuen Präsidenten hat er bereits definiert. Etwa so: Für Einkommenszuwachs sorgen, Armut und Baracken loswerden."Und dann gibt es ja auch noch andere Dinge in Putins Leben als nur Politik: Der russische Staatschef spricht zwar nur selten über sein Privatleben. Aber nun teilte er mit, dass er erst vor Kurzem bereits zum zweiten Mal Großvater geworden sei. Laut der russischen Zeitung Kommersant könnte "Opa Putin" nun glatt zum neuen Image für einen hypothetischen Wahlkampf 2018 werden. "Bei einer richtigen Umsetzung kann Opa Putin neue Sympathien der Wähler gewinnen", so die Zeitung.
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