Menschen, die in der Sowjetunion aufwuchsen, erinnern sich noch immer gerne an sowjetische Pralinen. Um 100 Gramm Lutsch- oder Sahnebonbons zu kaufen, sparte man extra das von den Eltern für das Schulfrühstück oder für die Straßenbahnfahrt mitgegebene Geld. Insbesondere Schokoladenbonbons waren teuer und rar; sie wurden ausschließlich zu großen Feiertagen und Festen gekauft.
Obwohl man die Pralinen „Mischka kosolapij“ (dt. „der linkische Bär“) ursprünglich schon im russischen Zarenreich herstellte, wurden sie zu einem einzigartigen Süßwarensymbol der UdSSR. Die Praline bestand aus zwei dünnen Waffelscheiben und einer Praliné-Mandelfüllung, die mit dunkler Schokolade überzogen war. Sie wurde jedoch von den Sowjetbürgern weniger wegen ihres Geschmacks, sondern vielmehr wegen ihrer hellblauen Verpackung geliebt, auf der ein Fragment des Gemäldes „Morgen im Kiefernwald“ von Iwan Schischkin und Konstantin Sawizki mit den drei Bären abgebildet war. Die Praline galt als sehr teuer, damals kostete sie vier Rubel pro Kilogramm. Umgerechnet wären das heute sechs Euro für ein Kilogramm. Man bemühte sich, die Pralinen besonders zum Neujahrsfest zu kaufen, um damit den Tannenbaum zu schmücken. Sogar in der Sowjetzeit war die Hülle sehr farbenfroh. Das qualifizierte die Praline dafür, zusammen mit den Weihnachtskugeln aus Glas und den Girlanden zum vollwertigen Tannenbaumschmuck zu werden.
Warum ausgerechnet dieses beliebte und schmackhafte Konfekt zu Ehren der gleichnamigen Wüste in Turkmenistan benannt wurde, lässt sich heute nicht mehr genau sagen. Denn die Praline hat nichts mit schwarzem Sand, der wörtlichen Übersetzung der Namensbezeichnung „Kara-Kum“ aus dem Kasachischen, zu tun. Die Schokoladenpralinen „Kara-Kum“ besteht aus einer Praliné-Erdnusscreme mit Waffelstückchen, die mit Milchschokolade überzogen wird. Die Käufer haben ihren Geschmack und die Hersteller ihre einfache Rezeptur so sehr geschätzt, dass sie auch über die Grenzen der Sowjetunion hinaus populär wurde: In den 1990er-Jahren wurden die Pralinen „Kara-Kum“ sogar von amerikanischen Süßwarenfabriken hergestellt. Ihr Kostenpunkt war ungefähr der gleiche wie für „Mischka kosolapij“.
Der aus Waffelstückchen und geriebener Erdnuss bestehende Riegel war eine bei Kindern und Erwachsenen beliebte Süßigkeit. Da sie im Laden nicht leicht zu bekommen war, wurde sie, wenn sie denn gekauft wurde, für die Feiertage aufgehoben – auch wenn Kinder die versteckten Pralinen natürlich sofort fanden und sie ab und zu, heimlich, ohne das Wissen der Eltern, aßen. Die Riegel waren etwas günstiger als ihre Konkurrenten aus Schokolade und kosteten drei Rubel pro Kilogramm, also umgerechnet rund fünf Euro. Am besten war es, die Riegel zusammen mit heißem Tee zu essen – der zarte und weiche Erdnussriegel schmolz nach ein paar Schlückchen schwarzem Tee förmlich im Mund dahin.
Dieses Hartkaramell, das im Deutschen so viel wie „Startbahn“ heißt, besaß einen besonderen Zitronengeschmack und musste sehr lange gelutscht werden. Und alles nur deshalb, weil die Karamelle ursprünglich für Flugzeugpassagiere gedacht war, damit ihnen bei Druckabfall nicht die Ohren schmerzten. Sie wurden zunächst nicht in den gewöhnlichen Laderegalen verkauft. Mitte der 1970er-Jahre wurden jedoch selbst diese Karamellbonbons erhältlich, und bald zur Lieblingssüßigkeit der sowjetischen Schulkinder. Denn diese konnten vor der Schule einfach kurz in ein Geschäft laufen und 100 Gramm der Bonbons für die durchaus erschwingliche Summe von elf Kopeken erwerben. Dementsprechend kostete ein Kilogramm einen Rubel und zehn Kopeken, heute umgerechnet 2,50 Euro. Im Übrigen reichten 100 Gramm dieser Bonbons für einen ganzen Schultag, unter der Berücksichtigung, dass es Pflicht war, die erworbenen Karamellen mit den Schulkameraden zu teilen.
In der UdSSR existierten zwei Handelsmarken für Sahnebonbons: „Solotoj kljutschik“ (dt. „der goldenen Schüssel“), die kleiner und weicher waren, sowie „Kis-Kis“, anderthalb Zentimeter große Rechtecke. Die Sahnebonbons waren, ungeachtet der scheinbar teuren Zutaten, eine der günstigsten Pralinevarianten. Ihr Preis war nicht höher als jener der Karamellen. Genau das machte die Sahnebonbons unter den sowjetischen Kindern sehr beliebt, und genau mit ihnen sind die besten Kindheitserinnerungen und „heiligsten“ Rituale verbunden. Anfangs musste die an ihnen festklebende Papierhülle von den Sahnebonbons entfernt werden, die so sehr stark klebte, dass man die Sahnebonbons oft zusammen mit Papierstückchen kauen musste.
Die nächste Etappe des Sahnebonbongenusses bestand darin, sie weich zu kauen. Währenddessen klebten sie an den Zähnen fest, insbesondere den Milchzähnen, oder an deren Füllungen. Im Großen und Ganzen waren die Sahnebonbons durchaus dazu fähig, einer Naschkatze einen Besuch beim zahnärztlichen Notdienst zu bescheren. Darüber hinaus konnten sie Hosentaschen „versiegeln“: Wenn ein Kind sie in die Hosentaschen steckte und sich dann viel bewegte, schmolzen die Bonbons, um später wieder fest zu werden. Die sowjetischen Mütter, die diese Hosen waschen mussten, waren davon natürlich alles andere als begeistert.
Viele Pralinen kann man noch heute im Verkaufsregal entdecken und frei kaufen. Jene, die zum Leben aus der Sowjetunion ins Ausland zogen, bitten noch immer darum, für sie ein paar Kilogramm der legendären und allseits beliebten Süßigkeiten anstelle von Souvenirs mitzubringen.
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