Fünf Fabriken der Zarenzeit, die es noch heute gibt

Die Süßwarenfabrik Babajewski ist in der ehemaligen Villa der Abrikossow-Dynastie in der Krasnosselskaja-Straße in Moskau untergebracht. Anfang des 19. Jahrhunderts wurden hier Süßigkeiten aus Früchten produziert.

Die Süßwarenfabrik Babajewski ist in der ehemaligen Villa der Abrikossow-Dynastie in der Krasnosselskaja-Straße in Moskau untergebracht. Anfang des 19. Jahrhunderts wurden hier Süßigkeiten aus Früchten produziert.

Lori/Legion-Media
Manch ein russisches Werk war schon unter den Zaren in Betrieb, dann unter den Kommunisten und ist es unter Putin noch immer. RBTH stellt fünf erfolgreiche Unternehmen vor.

Das Russische Kaiserreich war kein industriell entwickeltes Land. Im Jahr 1913 lebte lediglich 15 Prozent der Bevölkerung in den Städten. Erst zu Sowjetzeiten konnte das Land zu den großen Industrieländern aufschließen. In den Jahren 1928 bis 1941 nahmen nach Angaben einiger Historiker etwa 9 000 Fabriken ihren Betrieb auf. Das bedeutet jedoch nicht, dass es nicht auch schon vor der Revolution große Werke gab. Einige von ihnen überlebten die Februar- und die Oktoberrevolution, zwei Weltkriege, die Verstaatlichung sowie die Privatisierung und stellen noch heute erfolgreich Schokolade, Technik, Schiffe oder Munition her.

1. Das Schießpulverwerk in Kasan

Das älteste Unternehmen in dieser Liste ist das Schießpulverwerk in Kasan. Es wurde unter Katharina der Großen im Jahr 1788 gebaut. Damals stellte man hier Schießpulver für Gewehre und Kanonen her. Im Laufe der Zeit wurde das Werk erweitert. Bis zum frühen 19. Jahrhundert wurden hier fast 500 Tonnen Schießpulver produziert. Rund um die Fabrikhallen entstanden ganze Stadtviertel. Man baute gar die „Schießpulver-Moschee“.

Der Steinbogen namens "Rote Pforte" wurde 1887 zum 100. Jahrestag des Schießpulverwerks in Kasan errichtet und gilt heute als Symbol des Unternehmens. Foto: TY-214/wikipedia.org (CC BY-SA 3.0)Der Steinbogen namens "Rote Pforte" wurde 1887 zum 100. Jahrestag des Schießpulverwerks in Kasan errichtet und gilt heute als Symbol des Unternehmens. Foto: TY-214/wikipedia.org (CC BY-SA 3.0)

„Die Fabrik und ihre umfangreiche Siedlung lebt völlig abgesondert vom Rest der Bevölkerung der Stadt Kasan“, schrieb der landeskundige Historiker Nikolai Sagorskin im Jahr 1895. Das ruhige und „abgesonderte“ Leben wurde von einer Tragödie im Jahr 1917 beendet. Ein durch einen Zigarettenstummel entstandenes Feuer vernichtete die mächtige Fabrik. Eine Million Munitionseinheiten und Hunderte von Gebäuden brannten nieder.

Die Sowjets bauten die Fabrik wieder auf. Im Zweiten Weltkrieg wurde hier die Munition für das berühmte Raketenwerfersystem „Katjuscha“ hergestellt. Heute produziert die Fabrik weiterhin Schießpulver für Handwaffen und das Militär.

2.  Das Kirowwerk in Sankt Petersburg

Das Kirow-Werk in Sankt Petersburg war selbst während der Leningrader Blockade durch deutsche Truppen in den Jahren 1941 bis 1944 in Betrieb und stellte Panzer her. Foto: Lori/Legion-MediaDas Kirow-Werk in Sankt Petersburg war selbst während der Leningrader Blockade durch deutsche Truppen in den Jahren 1941 bis 1944 in Betrieb und stellte Panzer her. Foto: Lori/Legion-Media

Dieses Petersburger Werk entstand bereits im Jahr 1801, erlangte aber erst zur folgenden Jahrhundertwende Berühmtheit. Damals hieß es „Putilowski“, benannt nach dem Eigentümer. Das Unternehmen stellte Lokomotiven, Wagen, Werkzeugmaschinen, Granaten und Artillerietürme für Schiffe her. Es war das größte metallurgische und maschinenherstellende Zentrum des Russischen Kaiserreiches.

Die Fabrikhallen sind zudem durch ihre politisch aktiven Arbeiter bekannt. Der Streik der Putilow-Werke wurde zum Funken, der das Feuer der ersten gescheiterten Revolution entfachte. Im Jahr 1917 traten viele Arbeiter des „Putilowski Sawod“ der Roten Garde bei, der militärischen Organisation der Bolschewiki.

In der UdSSR wurde das Unternehmen zu Ehren des sowjetischen Politikers Kirow umbenannt. Das Werk war selbst während der Leningrader Blockade durch deutsche Truppen in den Jahren 1941 bis 1944 in Betrieb. 2 500 Arbeiter starben an Hunger, doch das Kirowwerk produzierte und reparierte während des gesamten Kriegs Panzer, unter anderem den berühmten KW-1. Militärische Aufgaben übernimmt das Kirowwerk heute nicht mehr, mittlerweile wird hier landwirtschaftliche Technik hergestellt.

3. Die Süßwarenfabrik Babajewski

In den 212 Jahren seiner Geschichte entwickelte sich dieses Moskauer Unternehmen von einem kleinen Ein-Mann-Betrieb eines ehemaligen Leibeigenen zu einem gigantischen Industriekomplex. Anfang des 19. Jahrhunderts eröffnete ein Bauer eine kleine Werkstatt für die Herstellung von Süßigkeiten aus Früchten. Seine Nachfahren machten aus dem kleinen Betrieb eine Fabrik und lieferten bereits ab 1899 an den Zarenhof. Bis zum Jahr 1922 hieß das Unternehmen „Gesellschaft A. I. Abrikossow und Söhne“. Die Fabrik war auch zu Sowjetzeiten aktiv und ist es bis heute. Selbst in einfachen Lebensmittelgeschäften wird Schokolade der Marke „Babajewski“ verkauft. Eine Idee für ein Souvenir aus Russland?

4. Das Autowerk SIL

Die zu Sowjetzeiten berühmten SIL-LKW werden heute nicht mehr hergestellt. Gebaut werden nur noch die Limousinen dieser Marke. Nicht nur sowjetische Staatsoberhäupter setzten darauf, auch Wladimir Putin fährt mit einem Auto dieser Marke bei offiziellen Veranstaltungen vor. Foto: Valentin Sobolev/TASSDie zu Sowjetzeiten berühmten SIL-LKW werden heute nicht mehr hergestellt. Gebaut werden nur noch die Limousinen dieser Marke. Nicht nur sowjetische Staatsoberhäupter setzten darauf, auch Wladimir Putin fährt mit einem Auto dieser Marke bei offiziellen Veranstaltungen vor. Foto: Valentin Sobolev/TASS

Der Bau dieses Autowerks begann im Jahr 1916, doch der Fertigstellung kam die Revolution dazwischen. Einige Jahre lang wurden hier ausländische Autos in Lizenz gebaut. Den ersten eigenen Lastwagen stellte das Werk im Jahr 1924 her. Danach wuchs die Produktion lawinenartig an. Während des Zweiten Weltkriegs waren die Lastwagen des Werks (damals unter dem Namen SIS) die zweithäufigsten Laster der Roten Armee. SIS produzierte darüber hinaus auch Limousinen. Nach dem Zusammenbruch der UdSSR verlor das Werk aber an Bedeutung und ist heute so gut wie tot. Das Gebiet des ehemaligen Werks soll künftig Büros und Wohnungen weichen. Nur die Fabrikhalle Nummer 6 lebt noch – hier werden nach wie vor klassische SIL-Limousinen auf Bestellung gebaut.

5. Das Baltische Werk in Sankt Petersburg

Die „Arktika“, der weltweit größte Atomeisbrecher, feierte 2016 in Sankt Petersburg seine Schiffstaufe. Foto: Sviatoslav Akimov/RIA NovostiDie „Arktika“, der weltweit größte Atomeisbrecher, feierte 2016 in Sankt Petersburg seine Schiffstaufe. Foto: Sviatoslav Akimov/RIA Novosti

Dieser im Jahr 1856 in Sankt Petersburg gegründete Schiffbaukomplex war hundert Jahre lang richtungsweisend und ist es noch heute. Im Jahr 1903 baute das Baltische Werk das erste russische Kampf-U-Boot. Im Jahr 2016 wurde der weltweit größte Atomeisbrecher „Arktika“ fertiggestellt. Die Werften des Baltischen Werkes bauen auch Schiffe für den Export, zum Beispiel Tankschiffe für Deutschland und Fregatten für Indien.

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