Wissenschaftler des Labors für Neurotechnologien der Empfindung und der Erkennung an der Südlichen Föderalen Universität in Rostow-am-Don schlagen vor, den Geruchssinn von Ratten für das Aufspüren von Sprengstoff zu nutzen. Die natürlichen Fähigkeiten der Nagetiere sollen dabei von einem ins Gehirn implantierten Mikrochip unterstützt werden.
Den Wissenschaftlern zufolge enthalten Nervenzellen von Ratten tausende natürlich erneuerbare Rezeptoren. Dies ermögliche es den Ratten, diverse Gerüche zu erkennen. Ihr Spektrum sei dabei deutlich breiter als das moderner technischer Anlagen oder von Hunden. Die neue Technologie ermögliche es, die verschiedensten Gerüche mithilfe von Ratten fehlerfrei zu identifizieren, behaupten die am Projekt beteiligten Wissenschaftler.
Der Mikrochip soll dabei immer dann die physiologischen Reaktionen des Tieres auf verschiedene Gerüche unterstützen, wenn die Konzentration der Geruchsquelle zu gering ist und deshalb für die Ratte unerkennbar wird. Das aufgegriffene Signal würde dann vom Chip auf einen Rechner übergetragen, sodass die Sicherheitsbehörden damit weiterarbeiten können.
Bislang funktioniert der Mikrochip nur mit angeschlossenem Kabel und das Signal reicht maximal fünf Meter weit. In der Zukunft sollen Ratten hingegen selbständig Objekte und schwer zugängliche Stellen untersuchen können. Zunächst gibt es die neue Technologie allerdings nur in Form einer verkabelten Box, in der Ratten sitzen. Dabei haben die Wissenschaftler auch hier mit Schwierigkeiten zu kämpfen. „Eine Ratte kann Kabel durchbeißen. Deshalb werden die Tiere während eines Experiments im Schlafzustand gehalten“, erklärt Laborchef Dmitri Medwedew.
Eine weitere Herausforderung ist es, jene Prozesse zu verstehen, die im Gehirn der Ratte durch unterschiedliche Gerüche ausgelöst werden. Dabei ist es wichtig, den spezifischen Gehirnimpuls zu identifizieren, der bei Sprengstofffunden auftritt. Andernfalls wird es nicht möglich sein, die Aufmerksamkeit einer Ratte von anderen Gerüchen der Umgebung weg auf einen bestimmten Gegenstand zu lenken.
An dem Projekt arbeiten drei unterschiedliche wissenschaftliche Teams gleichzeitig: Während Physiologen die Tiere darauf abrichten, Sprengstoff- und Drogenimitate zu erkennen, arbeiten Ingenieure an der Verbesserung der technischen Parameter. Programmierer sind wiederum damit beschäftigt, mathematische Algorithmen zu erstellen. Diese werden aus praktischen Erfahrungen abgeleitet: Grundlage sind das Verhalten der Ratten und die Erkennungsrate bestimmter Gerüche.
Dabei kann ein einzelnes Tier jedoch lediglich einen einzelnen Geruch identifizieren. Bei jedem Einsatz müsste also eine große Gruppe von Ratten genutzt werden.
„Um ein Tier auf einen bestimmten Geruch zu konditionieren, benötigt man zwei bis drei Monate. Dabei beträgt die Lebenserwartung einer Laborratte im Durchschnitt ein Jahr. Babyratten sind nicht zu gebrauchen und alte Tiere verlieren ihren Geruchssinn“, erklärt Medwedew.
Die Wissenschaftler wollen ihr Projekt Mitte des kommenden Jahres präsentieren. Bereits jetzt aber sind das russische Gesundheitsministerium und das Katastrophenschutzministerium auf die Versuche aufmerksam geworden. Ratten sind nämlich ebenfalls in der Lage, Krankheiten am Geruch zu erkennen. Dabei können Ratten diese in einem Stadium erkennen, in dem die Technik noch nicht greift. Insbesondere Tuberkulose sowie einzelne Tumore ließen sich so früh erkennen.
Außerdem könnten Ratten bei der Ortung von Katastrophenopfern helfen. Eine Unterscheidung zwischen einem lebenden und einem toten Menschen können Ratten zurzeit aber noch nicht leisten.
In Tansania, Mosambik, Thailand, Angola und Kambodscha werden Nesomyidae, ein afrikanisches Nagetier, für die Ortung von Minen eingesetzt. In Kolumbien verwendet man Laborratten zum Aufspüren von Minen. Während die niederländische Polizei Nagetiere einsetzt, um Brandgeruch von Schießpulver zu unterscheiden, helfen Ratten den israelischen Sicherheitsbehörden bei Gepäckkontrollen an Flughäfen. In jedem der erwähnten Fälle werden Ratten eingesetzt, die mithilfe von Elektroschocks und Nahrungsentzug trainiert wurden. Wenn das Tier den gesuchten Geruch erkennt, verschwindet es in eine speziell eingerichtete Höhle und stellt sich auf die Hinterpfoten.
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