Wenn Sie auch selbst noch Student sind und Russisch lernen, lohnt sich eine Bewerbung um ein staatliches Stipendium. So können Sie Ihr eigenes Russischstudium und den Unterricht der Muttersprache in Russland günstig verbinden und viel Erfahrung sammeln.
So hat es auch Francesca Loche aus dem italienischen Cagliari gemacht. Acht Jahre lebt sie nun schon in Moskau. Zum ersten Mal kam sie noch als Russistik-Studentin in die russische Hauptstadt. Nach ihrem Abschluss entschied sie sich dann dafür, komplett hierher zu ziehen.
“Ich begann sofort nach meiner Rückkehr mit dem Unterricht, obwohl ich weder Erfahrung noch irgendwelche Abschlüsse hatte”, erinnert sich Cagliari. „Man sagte mir einfach, dass Muttersprachler hier immer sehr gefragt seien und das eine gute Variante sei, um etwas Geld dazu zu verdienen. Und so versuchte ich es eben auch. Am Anfang gab ich Privatstunden und mit der Zeit hatte ich dann genug Erfahrung gesammelt, um mich bei der Higher School of Economics zu bewerben.“
Auch der heute 33-jährige Japaner Shingo Ohata profitierte von seinem Auslandsstudium in Russland: Mittlerweile hat er schon seine eigene Sprachschule in Russland. Der aus Tokio stammende Ohata hatte Russland zunächst mehrere Male im Rahmen von Austauschprogrammen und staatlichen Stipendien besucht.
„Als ich zum Auslandspraktikum nach Moskau kam, unterrichtete ich schon an mehreren Sprachschulen Japanisch“, erinnert er sich. „Beim Studium in Moskau half ich dann auch Kommilitonen mit Japanisch. Ich studierte Linguistik und das half mir dann immer sehr beim Unterrichten.“
Francesca Loche lebt seit 2010 in Moskau und ist nun Dozentin an der Higher School of Economics.
Francesca LocheWenn Sie gerade Ihren Abschluss in der Tasche haben und darüber nachdenken, in Russland zu arbeiten, dann suchen Sie nach freien Stellen am besten im Internet. Das kann auch Virginia Robinson aus Alabama (USA) empfehlen, die seit 2014 in Moskau arbeitet. Mittlerweile ist sie Lehrer für Naturwissenschaften und Geschichte an einer Allgemeinbildenden Schule. Aber einst begann alles mit einer Online-Bewerbung für ein internationales EF-Bildungsprogramm.
„Ich arbeitete damals an einer Rezeption, nachdem ich meinen Schuljob aufgegeben hatte. Ich hatte viel Zeit, um nach anderen Optionen zu suchen und fand dann die ESL-Ausschreibungen“, erinnert sich Robinson. „Als Studentin schon liebte ich Dostojewskijs Werde und träumte davon, einmal Russisch zu lernen, also dachte ich, das sei ja nun meine Chance. Es war schockierend einfach, einen Job als Englischlehrer zu bekommen – online bewerben, Skype-Gespräch und da ist schon die Einladung!“
Russland ist ein toller Ort für Englischlehrer, sagt Robinson: „Hier suchen deutlich mehr Menschen nach einem Muttersprachlerlehrer, als es hier überhaupt Muttersprachler gibt. Und weil sie so gefragt sind, können Muttersprachler hohe Preise setzen. Ich würde sagen, ein durchschnittlicher Freelancer nimmt 2000 bis 4000 Rubel (25 bis 50 Euro) pro Stunde, wenn der Lehrer nach Hause kommt oder Fachlexik unterrichtet, dann manchmal auch mehr.“ Und die Suche nach Studenten sei auch überhaupt kein Problem: Wenn man sich einmal etabliert habe als Lehrer, so Robinson, dann finden die Studenten Sie schon von selbst.
Mit Deutsch jedoch sieht die Situation etwas anders aus: "Diese Regel gilt nicht für Deutsch als Fremdsprache", ergänzt der ehemalige DAAD-Lektor Christof Deininger, der mittlerweile eine eigene Sprachschule mit Spezialisierung auf Online-Kurse im sibirischen Krasnojarsk aus betreibt. "In Russland wird immer noch Deutsch gelernt, aber leider immer weniger. Es gibt zwar eine große Anzahl an Bürgern, die mir schulterklopfend berichten, dass sie in der Schule auch mal Deutsch gelernt haben. Allerdings sind die Kenntnisse hinüber. Mehr als ein oder zwei Kinderlieder in bruchstückhaftem Deutsch sind normalerweise nicht drin."
Darum blieben als potentielle Lerner nur noch einige Gruppen derer, die mit Deutsch ein konkretes Ziel verfolgen: "Spätaussiedler, an einem Studium in Deutschland Interessierte, IT-Experten auf dem Sprung in eine internationale Karriere, Geschäftsleute, Ärzte etc. Man muss herausfinden, wo und wie man diese Gruppen finden und ansprechen kann", meint Deininger. Da helfen dann auch technische Möglichkeiten wie gezieltes Content-Marketing im Internet, über Video-Portale und den sozialen Netzwerken.
Wiederum ander Sprachen wie Spanisch oder Italienisch sind sehr beliebt. „Manche fahren ja regelmäßig jedes Jahr nach Italien, andere Leute haben ein Business dort oder wollen einmal dorthin ziehen“, meint Cagliari. Darum fänden auch diese Sprachen viele Lernende.
„Ein wichtiger Ratschlag ist, schon auch etwas Russisch zu lernen, bevor man nach Russland kommt. Das wird im Job sehr helfen“, sagt Luis Yanguas Santos, seit 2009 Spanischlehrer am Moskauer Cervantes-Institut. Und diesen Punkt nennen nahezu alle Expats: Nicht nur im Privatleben, auch bei der Arbeit sind Russischkenntnisse sehr von Vorteil, denn auch wenn Sie sich als Muttersprachler präsentieren, können Sie Ihren Schülern so manche Feinheit der Grammatik oder der Lexik doch besser näherbringen, wenn Sie Russisch können.
Außerdem ist es von großem Vorteil, wenn Sie nicht nur Muttersprachler, sondern auch noch Lehrer sind – denn das sind völlig verschiedene Sachen. „Du denkst doch normalerweise nicht über jede kleine Schwierigkeit deiner Muttersprache nach, dir ist doch alles klar“, erklärt Cagliari. „Und Russischkenntnisse helfen, weil ich so typische Fehler vorhersehen kann, die die russischen Studenten machen werden. Ich habe früher russisch-italienisch übersetzt und das hilft mir sehr, die Sprachen miteinander zu vergleichen.“
“Mein Master-Thema lag im Bereich der komparativen und kognitiven Linguistik, darum konnte ich die Unterrichtmethoden leicht verstehen und anwenden“, sagt Ohata. „Am schwierigsten war es, die Klasse zu leiten, die Bedürfnisse und Interessen jedes einzelnen Studenten zu erkennen. Man muss immer wieder neue Erklärungsansätze für eine bestimmte Sache für eine bestimmte Person finden.“
Es liegt in der Natur der Sache, dass Sie, wenn Sie Ihre Sprache im Ausland unterrichten, immer wieder überrascht werden. Für die Italienerin Cagliari beispielsweise war es gewöhnungsbedürftig, dass russische Studenten einen strengen, befehlenden Lehrer haben wollen.
Santos ist derweil aufgefallen, dass Russen ungern antworten, wenn sie sich auch nur ein wenig unsicher sind, ob ihre Antwort richtig ist. In der Türkei, wo er zuvor gearbeitet hatte, sei das anders gewesen.
Russische Kinder lernen und trainieren sehr hart und sind oft erschöpft, hat die US-Amerikanerin Robinson bemerkt. Gleichzeitig aber „merken sie sich mehr als westliche Studenten.“ „Wenn Sie ihnen ein kleines Gedicht aufgeben, lernen sie es auswendig. Wenn sie ihnen Vokabeln aufgeben, lernen sie auch diese auswendig“, so Robinson. Außerdem wachten die Eltern hier viel mehr über den Kindern, als sie es in westlichen Ländern tun.
Für den Japaner Ohata ist der Kern des Sprachunterrichts ein Beitrag zum interkulturellen Austausch. „Man muss sich im Klaren darüber sein, dass man an der Frontlinie des Kulturaustausches steht und darum im Unterricht auch viele Besonderheiten über das eigene Land erklären müssen“, so Ohata.
Virginia Robinson (2.v.l.) unterwegs mit der Transsib
Virginia RobinsonSantos sagt aber auch ganz deutlich: „An einen Ort zu kommen, wo man noch nie war, birgt ein Risiko in sich, dass sicher nicht jeder eingehen möchte.“ Darum sollte man das Land am besten auch zuvor schon kennengelernt haben.
Auch Robinson meint: „Ich habe schon so viele Expats kommen und gehen sehen. Mancher blüht hier auf, ein anderer hasst es. Wenn Sie mit Russland liebäugeln, fragen Sie sich: Was ist Ihnen wichtiger – Bequemlichkeit oder Spannung? Wenn Sie Komfort mehr lieben als sie Langeweile hassen, dann ist Russland nichts für Sie! Wenn Sie aber Langeweile nicht ausstehen können und immer ein bisschen Chaos vertragen können, dann wird es Ihnen hier gefallen.“
Hier finden Sie weitere wichtige Überlebenstipps für ein ruhiges Leben in Russland:
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