Der Panzerkreuzer Potemkin: Was der berühmte Film nicht erzählt

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Im Juni 1905 erschütterte Russland die Nachricht, es habe auf dem imperialen Marinekriegsschiff Potemkin eine Meuterei gegeben. Bis heute ist dieser Aufstand dank Sergei Eisensteins berühmtem Film aus dem Jahr 1925 weltbekannt. Wahrscheinlich kennen jedoch nur wenige Menschen das Ende der berühmten Revolte sowie das Schicksal der meuternden Mannschaft und des Schiffes selbst.

Ein Kinderwagen, in dem sich ein Kind befindet, rollt die Treppen hinunter, während die Menge vor den Schüssen der Soldaten panisch zu fliehen beginnt. Diese Szene aus „Panzerkreuzer Potemkin“ ist eine der legendärsten der Filmwelt. Der Film handelt von der meuternden Mannschaft eines russischen Marineschiffs während der Russischen Revolution 1905, die das gesamte Imperium erschütterte.

Die imperiale Flotte

Potemkin, das stärkste und modernste Schiff der russischen Marine dieser Zeit, blieb nach dem Aufstand im Hafen von Odessa zurück und bekam Verstärkung von einem kleineren Schiff, das die Rebellen ebenfalls erobern konnten. Die Meuterei an Board der Potemkin rief Unruhen in der gesamten Stadt hervor, bei denen Regierungssoldaten Dutzende von Menschen töteten, als sie den Aufstand niederschlugen. Historiker bezweifeln jedoch, dass die berühmte Treppenszene so wie dargestellt jemals stattfand.

Die Regierung griff zu harten Gegenmaßnahmen und die Potemkin gab mehrere Schüsse ab, durch die jedoch niemand getötet wurde. Der große Beschuss, der von vielen Einwohnern Odessas befürchtet wurde, blieb aus. Stattdessen verließ das Kriegsschiff den Hafen und segelte zur Hauptgruppe der Schwarzmeerflotte zurück, die dem Zaren gegenüber loyal geblieben war und sich Odessa näherte, um sich dem rebellischen Schiff entgegenzustellen. Die Meuterei entsetzte die Behörden dermaßen, dass sie bereit waren, das hochmoderne Boot, das erst einige Monate zuvor in Dienst gegangen war, zu zerstören.

Sergei Eisensteins

Als die verfeindeten Schiffe aufeinander trafen, blieb es allerdings friedlich. Die Potemkin und die elf Schiffe der Zarenflotte lieferten sich keinen Schusswechsel, hauptsächlich weil den Admirälen die Entschlossenheit zum Kampf fehlte. Da sie sich der Loyalität ihrer eigenen Matrosen nicht sicher waren, ließen sie die meuternde Mannschaft ziehen.

Ein anderes Schiff kommt hinzu

An dieser Stelle endet Eisensteins Film. Im echten Leben jedoch war die Saga weit davon entfernt, ein Ende zu nehmen.

Wie sich herausstellte, war die Furcht der Admiräle vor ihren Matrosen nicht ganz unbegründet, da eines ihrer Kriegsschiffe desertierte und sich den Potemkin-Meuterern anschloss. Beide Schiffe kehrten nach Odessa zurück, wo jedoch die Mehrheit der Besatzungen dem Zaren loyal gestimmt war. Schließlich war die Mannschaft der Potemkin erneut auf sich allein gestellt.

Die Mannschaft der Potemkin

Das Schiff konnte nicht in Odessa bleiben, und da die meuternden Matrosen ihre Rebellion nicht auf die Stadt ausdehnen wollten, brach man zum rumänischen Hafen Constanta auf, in der Hoffnung, dort Essen und Treibstoff zu erhalten. Die Rumänen weigerten sich jedoch, das Schiff zu versorgen, und es fuhr weiter nach Feodossija, einer Hafenstadt der Krim. Dort erhielt es jedoch auch nicht den nötigen Nachschub und kehrte zum Hafen in Constanta zurück.

„Beschämende Geschichte”

In der Zwischenzeit sollte die Schwarzseeflotte Potemkin torpedieren, konnte aber kein Kriegsschiff finden, das sich im Umkreis von Constanta befand. Die Hauptstreitkräfte der Flotte waren um die Basis in Sewastopol versammelt, wo die Situation zu kippen drohte und neue Meutereien erwartet wurden.

Die sich verbreitende Geschichte der Flotte, die nicht im Stande gewesen war, die Potemkin einzunehmen und sie stattdessen durch das Schwarze Meer jagen musste, stellte für Russland eine Demütigung dar. „Lasst uns um Gottes Willen hoffen, dass dieses schwierige und beschämende Ereignis vorbei ist“, schrieb Zar Nikolaus II. in sein Tagebuch, als sich Potemkins Abenteuer dem Ende entgegenneigte.

Die Empörung des Zaren wurde durch die Weigerung Rumäniens, die Mannschaft des Schiffes festzunehmen und auszuliefern, sobald es dort den Anker ausgeworfen hatte, verstärkt. Die Matrosen verließen also unbehelligt das Schiff und erhielten einen Aufenthaltsstatus, der politischem Asyl glich. Das Schiff selbst wurde nach seiner Rückkehr umbenannt: Ab sofort hieß es Pantaleon, nach einer orthodoxen Heiligen.

Einige der Matrosen konnten im Laufe der Jahre von russischen Behörden gefangen genommen und vor Gericht gestellt werden; manche von ihnen wurden exekutiert, andere ins raue sibirische Exil verbannt. Die meisten Aufständischen kehrten jedoch erst nach dem Sturz des Zaren im Februar 1917 nach Russland zurück.

Pantaleon in Aktion

Was das Schiff Pantaleon betrifft, so erlebte es im weiteren Verlauf nur kurze Einsätze sowie einige Pannen. Im Jahr 1909 versenkte es versehentlich ein russisches U-Boot. Im Jahr 1914, gleich nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, kämpfte die Pantaleon in der Seeschlacht von Kap Sarych vor der Küste der Krim gegen die osmanische Flotte, und griff die Türken ein Jahr später vor ihrer eigenen Küste an.

Im Jahr 1916 wurde die Pantaleon zurückgestuft, da sie veraltet und von neuen Fortschritten in der Marinetechnik überholt worden war. Das Schiff wurde schließlich bei der Eroberung von Sewastopol im Mai 1918 von den Deutschen eingenommen und nach Deutschlands Niederlage den Alliierten übergeben.

Im Jahr 1919 zerstörten die Briten ihre Triebwerke, um zu verhindern, dass diese in die Hände der vorrückenden Bolschewisten gerieten. Das Todesurteil erfolgte letztlich im Jahr 1923, als die Sowjets das nutzlose und leistungsschwache Schiff in Altmetall verwandelten.

Im Jahr 1925 drehte Eisenstein dann jenen Film, der der Potemkin ihren weltweit legendären Status als Symbol der sozialistischen Revolution in Russland verlieh, obwohl der Aufstand zwölf Jahre vor der Machtergreifung der Bolschewisten stattgefunden hatte.

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