Ein Adler auf einem Staatswappen ist keine Seltenheit, er ist hier genauso beliebt wie der Löwe. „Er ist der ‚König der Lüfte‘, so wie der Löwe ja die Tiere beherrschen soll. Und er wird mit dem Sonnenkult verbunden“, erläutert Georgij Wilinbachow vom Russischen Heraldik-Rat.
Der Adler ziert die Insignien zahlreicher Staaten. Die Römische Legion zogen mit Standarten des glorreichen Vogels in den Krieg und auch heute tragen die Armeen vieler Staaten noch Adler auf ihren Waffen. Ein Schwarzer Adler ziert das deutsche Staatswappen und auf dem Großen Siegel der USA hält ein Weißkopfseeadler 13 Pfeile und einen Ölzweig.
Aber der russische Nationaladler ist dennoch ein besonderer: Die zwei Köpfe des Doppeladlers schauen in völlig entgegengesetzte Richtungen. Nur Serbien, Albanien und Montenegro besitzen diese Figur noch auf ihren Emblemen. Wie kommt das und was hat es auf sich mit den zwei Richtungen?
Der älteste Doppeladler wurde bislang als ein Steinrelief der Hethiter gefunden, die im 13. Jahrhundert v. Chr. im Mittleren Osten siedelten. Seitdem tauchte der Doppeladler in West und Ost immer wieder auf, bis das Byzantinische Reich (395 – 1453) den Doppeladler zu neuen Höhenflügen brachte.
Der Historiker Jewgenij Ptschelow erklärte in einer Vorlesung über die russischen Wappen, dass der Doppeladler schon immer wieder auf den Kleidungsstücken der byzantinischen Herrscher und Münzen auftauchte, als das Reich selbst noch kein eigenes Wappen hatte. „Man wollte zeigen, dass das Reich den Osten und den Westen verbindet“, so Ptschelow. „Der Adler hat zwar zwei Köpfe, jedoch nur einen Rumpf.“
Die meisten Historiker gehen davon aus, dass alle Staaten, die sich mit dem einst byzantinischen Doppeladler schmückten, ihn durch geschicktes strategisches Einheiraten in das Herrscherhaus übernehmen konnten. „Im Mittelalter konnte man nicht einfach das Symbol eines anderen Staats annehmen, nur weil es gefällt; das war immer auch ein Zeichen einer Verbundenheit, von guten Beziehungen“, sagt Ptschelow.
Genau so kamen Serbien, Albanien und Montenegro zu dem Doppeladler im Wappen. Auch Russland folgte diesem damaligen „Trend“: 1472 heiratete der Moskauer Großfürst Iwan III. die byzantinische Prinzessin Sophia Palaiologina. 25 Jahre später dann erscheint das erste russische Siegel mit Doppeladler.
Für den Großfürsten war es von außerordentlicher Wichtigkeit, Russland als den Erben Byzanz darzustellen. 1453 hatten die Türken Konstantinopel eingenommen und Russland wurde so zur führenden orthodoxen Großmacht, deren Adlerflügel nun West und Ost behüten sollten.
“Bevor Byzanz zugrunde ging, wurde es stets mit unbeschreiblicher Macht in verbindung gebracht, und selbst nach dem Zerfall wollten die russischen Herrscher ihr Russland noch immer mit der byzantinischen Symbolik assoziieren”, so Ptschelow weiter.
In Russland wurde der Doppeladler dann mit einem weiteren nationalen Symbol kombiniert: einem auf einem Schild dargestellten Ritter mit Schwert und Speer. Dieser Ritter ist seit jeher Symbol Moskaus und zeigt den Heiligen Georg, den Siegreichen.
Das russische Wappen veränderte sich im Laufe der Zeit: Aus einem goldenen wurde ein schwarzer Adler, dann wieder ein goldener. Er bekam Krönchen auf beide Köpfe, dann nahm man sie ihm wieder. Heute sitzt eine Krone auf beiden Adlerköpfen, die die Einheit des Land symbolisieren soll. In seinen Krallen hält der Adler einen Zarenapfel und ein Zepter – die Symbole für Macht und Stärke.
Die heutige Interpretation des Wappens entspricht der des russischen Zarenreiches bis 1917. Als die Revolution die Monarchie in Russland beendete, blieb der Doppeladler zunächst, wurde jedoch weiß (vielleicht erblasste er nur angesichts der Vorgänge im Land?). Als dann die Bolschewiki an die Macht ersetzten Hammer und Sichel das Wappentier. Erst 1993, mit der Gründung der Russischen Föderation, kehrte auch der Ost und West verbindende Doppeladler auf das russische Wappen zurück.
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