Kleine gemütliche Höfe waren für viele Kinder der Sowjetunion das gesamte. In diesen Räumen konnten sie sich anfreunden und streiten, zusammen zanken, lachen und spielen – und das lange vor dem Auftauchen sozialer Netzwerke und virtueller „Freundschaften“. Dort draußen blieben die „lieben Kleinen“ meist von morgens bis abends, bis Mutter sie in strengem Ton nach Hause rief. Auch ohne zentrales „Ministerium für Hofkultur“ spielten Kinder aus Kaliningrad wie die in Wladiwostok – fast identische Spiele, oft teilten sie dieselben Kindheitsträume.
Nein, nicht Kaugummi war auf sowjetischen Innenhöfen verbreitet. Der kam erst in den letzten Jahren der Sowjetunion nach Russland. Stattdessen gab es Blumen und Gräser, von denen einige unglaublich lecker schmeckten.
Lungenkraut (Pulmonaria Obscura) zum Beispiel schmeckt süß und erinnert an Marmelade. Flieder schien geradezu magische Eigenschaften zu haben und wurde in großen Mengen gesammelt und verschlungen.
Im Winter spielten Kinder mit Schnee und Eiszapfen. Marketing-Managerin Walentina Pachomowa aus Sankt Petersburg erinnert sich:
"In meiner Kindheit hat es im Winter viel Schnee gegeben. Bei starkem Schneefall haben meine Schwester und ihre Freunde im Vorgarten für uns Kinder Schneebuden gebaucht, sogar mit Tischen, Betten und sogar einem Kühlschrank. Und wir spielten gern dort: Wir hatten im Winter nichts anderes zu tun, unsere Eltern schickten uns immer nach draußen an die frische Luft."
Und auch Tamara Grigorijewa, Lehrerin aus Moskau, erzählt:
"Wir sammelten Junibeeren und spielten Prinzessinnen. Zeit mit Freunden im Garten zu verbringen war viel besser als die heutigen Geräte. Echtes Live-Spiel und Kommunikation bietet immer reichere Erfahrung des Lebens als Virtuelles."
Viele Spiele zu Sowjetzeiten waren sehr geschlechtsspezifisch, oft von verschiedenen Fähigkeiten und Wettbewerben inspiriert. „Himmel und Hölle“ perfektionierte das Springen, während sich "Kosaken und Banditen" versteckten, suchten und einfingen.
Eines der beliebtesten Spiele unter Mädchen war der Gummitwist. Drei Mädchen nahmen ein langes elastisches Band, das einen Kreis bildete. Zwei Spielerinnen standen drinnen, während die Springer eine Reihe zunehmend schwierigerer Hüpfkombinationen vollbringen muss. Der Ring wurde nach und nach zu den Knien, den Oberschenkeln und der Taille der beiden Halter erhoben. Wenn die Springer geschickt genug war, sogar bis zur Brust! Wenn eine Springerin einen Fehler machte, wechselte sie eine der Halterinnen aus.
Ein anderes Lieblingsspiel war "Türsteher". Zwei Spieler standen auf gegenüberliegenden Seiten des Spielplatzes und warfen einen Ball, um die anderen zu treffen. Diese wiederum rannten „um ihr Leben“, um nicht getroffen zu werden. Wenn der Ball traf, musste das „Opfer“ den Spielplatz verlassen. Der letzte übrig gebliebene Spieler musste den Ball so oft vermeiden, wie alt er war, plus eins. Wenn es nicht erfolgreich war, wechselte er mit der Person, die ihn getroffen hatte.
Jungen spielten natürlich auch oft „Wojnuschka“ (Krieg), manchmal gegen Kinder aus dem benachbarten Hof. Es gab Ränge wie in der Erwachsenenwelt: Soldaten, Generäle, Spione und Kryptographen – denn viele Teams erfanden sogar ihren eigenen Kommunikationscode.
Die Mütter haben ihre Kinder vom Fenster aus beobachtet und gerufen, wenn es Zeit für war, zum Mittag- oder Abendessen nach Hause zurückzukehren, so Grigorijewa.
"Meine Nachbarin, Tante Luba, saß oft mit mir zusammen: Sie wohnte im 5. Stock und schrie von oben, aber ich war zu schüchtern, um zurückzuschreien."
Die Moskauer Bloggerin Daria Sokolowa kennt diese Kontrolle von oben auch, aber ohne Rufe:
"Wir spielten auf dem Hof mit dem Mädchen von nebenan und meine Eltern beobachteten uns von zu Hause aus, weil sie uns vom Fenster aus sehen konnten. Meine Oma ließ meinen Onkel Hoffußball spielen. Sie lebten im 12. Stock und sie war zu faul zu schreien, also hängte sie eine rote Fahne auf, um zu signalisieren, wenn es Zeit war, nach Hause zu gehen."
Jeder im Hof kannte sich. Die Kinder spielten, Erwachsene waren beschäftigt und die Senioren saßen auf Bänken und diskutierten über die Jugend. Tamara wird nostalgisch bei diesen Erinnerungen:
"In der Kindheit scheint alles magisch zu sein, sogar der Garten. Später, als wir erwachsen wurden, habe ich gemerkt, dass mein 'Freund' tatsächlich seltsame Ohren hat, seine Witze dumm und die Magie irgendwie verschwunden waren."
Jedes Spiel hatte einerseits Regeln und andererseits Kinderreime. Nehmen wir zum Beispiel das berühmte „Stein-Papier-Schere“. Früher sprachen die Kinder dazu: "Tsu-E-Fa." Der Satz ist im Russischen bedeutungslos, aber im Chinesischen bedeutet es "Bitte, fang an." Warum? Das Spiel kam in den 1920ern aus China in die Sowjetunion. In einigen Regionen würden Kinder sagen: "Kamano, Margano, Tsu-e-Fa", "Chi-Chi-Ko", "U-E-Fa" ("eins-zwei-drei"). Es gibt wahrscheinlich Hunderte weitere Varianten.
Auszählen unter sowjetischen Kindern ging derweil klassischerweise so:
"Jeniki-Beniki jeli wareniki, Jeniki-Beniki-kljoz! Vyschel Sowjetskij Matros!"
(Jeniki und Beniki aßen Wareniki, Jeniki-Beniki-kljoz! Der sowjetische Matrose ging raus.)
Einige halten „Jenik" und "Benik" für Kindernamen, andere für alte lateinische Reime.
Hier ist noch ein einfacherer Reim für die Spielerauswahl:
"Auf dem goldenen Portal saßen:
Zar, Zarensohn, König, Königssohn, Schuhmacher, Schneider. Wer wirst du sein?"
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