Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte jede der sozialen Schichten in Russland ihren eigenen Grund, mit der absoluten Monarchie unzufrieden zu sein. Die Bauern, die bis zu 77 Prozent der Bevölkerung ausmachten, wünschten sich eine gerechtere Verteilung des Landes. Das in den Städten entstandene Proletariat forderte bessere Arbeitsbedingungen. Die Intellektuellen forderten eine Verfassung und ein Parlament, was beides im Russischen Reich nicht existierte.
Zar Nikolaus II. war kein großer Freund von Reformen. Die Idee der Demokratie bezeichnete (rus) er als „sinnlose Träumerei“ und versprach „die Säulen der Autokratie zu schützen". Doch im Volk brodelte es. Nach einer Reihe von Niederlagen im Russisch-Japanischen Krieg (1904 bis 1905) wurde die Stimmung immer schlechter - die Nation fühlte sich gedemütigt.
Am 9. Januar 1905 marschierte eine Abordnung von fast 150 000 Arbeitern vom Stadtrand von Sankt Petersburg aus zum Winterpalast, der Residenz des Zaren, und überreichte ihm eine Liste von Forderungen. Verlangt wurde auch die Einrichtung eines Parlaments. Die Behörden hielten diese Forderungen für "empörend" und befahlen der Polizei, die Arbeiter mit Waffengewalt vom Palast fernzuhalten. Offiziellen Angaben zufolge wurden dabei mindestens 130 Menschen getötet. Russland stand unter Schock.
Barrikaden auf der Arbat-Straße in der Zeit der Revolution 1905-1907
Die Unruhen und Streiks belasteten das Land schon seit mehr als einem Jahr. Revolutionäre ermordeten mehrere hohe Beamte, darunter Minister und den Onkel des Zaren.
Als Reaktion auf die weit verbreiteten Unruhen veröffentlichte Nikolaus II. am 17. Oktober 1905 ein Manifest über die Verbesserung der Staatsordnung. Die Duma wurde als gesetzgebendes Organ begründet. Den Bürgern wurden mehr Rechte eingeräumt. Doch Nikolaus II. hatte noch immer das Recht, die Duma aufzulösen, wovon er auch zweimal Gebrauch machte. Er blieb Autokrat. Die auch in den Jahren 1906 und 1907 schwelenden Aufstände unterdrückte der Staat gewaltsam.
Anfang 1917 kämpfte Russland bereits seit zwei Jahren im Ersten Weltkrieg. Wirtschaftliche Probleme machten dem Land schwer zu schaffen. Aufgrund logistischer Schwierigkeiten war es unmöglich, das ganze Land mit Nahrungsmitteln zu beliefern. So konzentrierte sich die Regierung auf die Versorgung an der Front. Hinter der Frontlinie litten die Menschen Hunger, auch in Städten wie Petrograd (der Name von Sankt Petersburg von 1914 bis 1924).
Der Zar und seine Familie standen beim Volk im Ruf tatenlos und nutzlos zu sein. Den Krieg konnten sie nicht gewinnen und dem Land keinen Frieden bringen. Im Volk erreichte die negative Stimmung den Höhepunkt.
Am 23. Februar traten in Petrograd etwa 90 000 Weber in Streik und forderten Brot. Der Streik weitete sich zum politischen Aufstand aus, immer mehr Menschen schlossen sich ihm an. Sogar die Garnison von Petrograd unterstützte schließlich die Aufständischen.
Am 5. März musste Nikolaus II., der gerade von der Front zurückgekehrt war, auf Druck von Generälen und fortschrittlichen Politikern abdanken. Eine 300 Jahre alte Monarchie fand innerhalb einer Woche ihr Ende.
In Petrograd entstand eine ungewöhnliche Doppelherrschaft. Die gemäßigte Übergangsregierung übernahm die Regierungsgeschäfte und versprach, den Krieg bis zu einem Sieg fortzusetzen. Kontrolliert wurde sie von den „Sowjets“, einem Rat, der sich aus Angehörigen der unteren Gesellschaftsschichten, aus Arbeitern und Soldaten, zusammensetzte.
Die Bolschewiki waren in dieser Zeit die Partei, die am weitesten links stand. Nach den Ereignissen im Februar 1917 kehrten die Führer der Partei, darunter Wladimir Lenin, aus der Emigration nach Russland zurück und drängten auf ein sofortiges Ende des Krieges, Verstaatlichung von Landbesitz und die Ablösung der bürgerlich-liberalen Übergangsregierung durch eine Sowjetregierung. Der Erste Weltkrieg war unterdessen weiter in vollem Gange und die Übergangsregierung hatte das Vertrauen der Bevölkerung verloren.
In der Nacht zum 25. Oktober 1917 eroberten die Revolutionäre das zentrale Post- und Telegrafenamt. Sie stürmten den Winterpalast und stürzten die Übergangsregierung. Die Öffentlichkeit stand überwiegend hinter den Bolschewiki. Diese erließen nach ihrer Machtübernahme ein Friedensdekret, in dem der Frieden mit Deutschland angestrebt wurde, und ein Dekret zur Aufteilung der Landfläche unter den Bauern.
Sturm auf den Winterpalast
S. Turin/Alexej SwerdlowDie Versprechen der Bolschewiken waren nicht einfach zu halten. Der Krieg zog sich noch über mehrere Monate hin. Die Bauern mussten lange auf ihr Land warten. Dennoch beherrschten die Bolschewiki Russland für die folgenden 70 Jahre.
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