Women and pills she think about her health at home
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Ist es normal, dass der Kleine seit zehn Minuten schreit? Was macht man gegen Koliken? Und dieses Fieber, geht das von alleine weg? Nach der Geburt ihres ersten Kindes brauchen junge Eltern häufig Kontakt zu einem Kinderarzt – nicht nur im Notfall: Manchmal hilft der Spezialist schon durch ein beruhigendes Wort.
So war es auch bei Dennis Judtschiz, Gründer der Plattform „Pädiater 24/7“, einem russischen Kinderarztportal, das jungen Eltern Fernberatungen bietet. 2014 wurde es gegründet. Der renommierte russische Kinderarzt und Notfallchirurg Leonid Roschal trug die Idee eines solchen Portals von Anfang an mit.
Im ersten Schritt musste eine Plattform entwickelt werden, auf der Ärzte und Patienten in Kontakt treten können. Den Patienten waren vor allem zwei Aspekte wichtig: die schnelle Verbindung zum Arzt und die Beratungsqualität.„Es ist sehr wichtig, eine klare Methode der ärztlichen Beratung und eine Qualitätskontrolle einzurichten. Die passenden Ärzte zu finden, war übrigens gar nicht so einfach. Bei uns werden die Ärzte geschult, um unseren Kriterien entsprechend beraten zu können“, sagt der Gründer.
„Jeder Patient bekommt bei uns eine digitale Patientenakte, die er über seinen Account verwalten kann. Außerdem erhält er Zugang zu einer Online-Praxis“, erklärt Judtschiz. Jede Beratung werde bewertet, aber nicht vom Patienten allein, sondern auch von einem Ärzteteam.
Nach „Pädiater 24/7“ starteten Judtschiz und sein Team ein ähnliches Portal für Erwachsene: „Online-Doktor“ heißt es. Die meisten Kunden kommen aus der russischen Provinz, wo es schwieriger ist, Zugang zu guter ärztlicher Beratung zu bekommen. Auch ältere Patienten schätzen den Service: Neben praktischen Informationen erhalten sie so regelmäßigen Kontakt zu einem Doktor. Die Kunden nutzen das Portal gewissermaßen mit einer Flatrate – die Anzahl der Beratungen ist unbegrenzt.
Auch das russische Portal „Teledoktor 24“ basiert auf diesem Prinzip, bietet aber Zusatzleistungen an, wie die Suche nach preiswerten Medikamenten zum Beispiel oder Rechtsberatungen zu medizinischen Fragen.
Im vergangenen Jahr entstand in Russland zudem ein weiteres Cyberdoc-Portal: „Doc+“, ein Gegenstück zum US-amerikanischen Portal „Heal“. In den USA bieten übrigens 15 Prozent aller Ärzte ihre Leistungen auch übers Internet an.
Das Portal funktioniert nach dem gleichen Prinzip wie der Fahrdienst „Uber“. Ärzte bieten ihre Sprechstunden zu einem Fixpreis an: 2 000 Rubel, rund 30 Euro, pro Beratung. Verfügbar ist dieser Service bislang nur in Moskau und Umgebung. Dennoch macht das Portal bereits satte Gewinne: 70 Millionen Rubel, rund eine Million Euro, waren es laut „Forbes“ im Jahr 2016.
Offizielle Daten und Nutzungsstatistiken zu Ärzteportalen gibt es in Russland bislang nicht, weil die neuen Services gesetzlich nicht geregelt sind. Ferndiagnosen und Fernverschreibungen sind in Russland jedenfalls verboten. Bald aber könnte sich das ändern.
Die Duma berät derzeit über zwei Gesetzesentwürfe: Einer ist vom russischen Gesundheitsministerium erstellt worden, der andere vom Institut für Internetförderung der russischen Internetfirma Yandex.Die Gesetzte sollen vor allem klären, was die Ärzte über die Portale tun dürfen. Die Internetfirma will im Gegensatz zum Ministerium ärztliche Ferneingriffe zulassen. Zudem sollen Anforderungen an die Identifikation der Nutzer sowie die Zahlungsmodalitäten geregelt werden.
„Dieses Gesetz ist längst nötig. Onlineberatungen werden ja trotz fehlender Rechtsgrundlage von vielen Ärztepraxen angeboten“, hieß es auf Anfrage beim Gesundheitsministerium. Das Gesetz solle diese Praxis legalisieren und sowohl Ärzte als auch Patienten schützen. Das Ministerium plane zudem, Ärzte in speziellen Schulungen auf Ferndiagnosen vorzubereiten.
Die Telemedizin in Russland berge drei Risiken, glaubt Georgi Lebedew vom Institut für Internetförderung, jener Einrichtung von Yandex, die einen der beiden Gesetzentwürfe ausgearbeitet hat. „Die Beratungsqualität könnte leiden, wenn auch unqualifiziertes Personal seine Leistungen anbieten würde. Auch könnte der Kontakt zwischen Arzt und Patient erschwert werden – der Arzt wäre dann schwierigen Patienten gewissermaßen ausgeliefert. Und außerdem könnten ausländische Firmen den Markt übernehmen“, sagt Lebedew.
Der Berater des russischen Präsidenten zu Internetfragen, Hermann Klimenko, rief jedenfalls erst jüngst dazu auf, die Verabschiedung des Gesetzes zur Telemedizin zu beschleunigen: „Noch haben wir die Chance, eine Yandex-Medizin bei uns zu etablieren. Aber lassen wir zwei Jahre verstreichen, dann bekommen wir eine Google-Medizin“, sagte der Präsidentenberater gegenüber der Nachrichtenagentur „Tass“.
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