Russischer Hardbass: Die Musik der Gopniks bringt Schwung ins Land

Alles begann mit einem Scherz, der zu weit ging: Vier Jungs aus Sankt Petersburg machten sich über die stereotypische Art russischer Gopniks lustig – und schufen so eine neue Musikrichtung, die sich in Russland großer Beliebtheit erfreut.

Dieses Video haben Sie bestimmt gesehen. Ein paar junge Männer und Frauen in Trainingsanzügen und Masken auf den Köpfen tanzen im Kreis zu lauter, primitiver Bassmusik oder bewegen nur ihre Köpfe zum Rhythmus – sie geben ein sehr lustiges Bild ab.

Vergessen Sie Ballett und Tänze! Diese russische Musikrichtung aus dem letzten Jahrzehnt wird „Hardbass“ genannt und ist mittlerweile unter den russischen Zuhörern sehr beliebt. In einer sehr seltsamen Art und Weise…

Frankensteins Monster ist da

Wie so oft in Russland haben die vier Jungs eine eigentlich fremde Sache „russifiziert“. Die Wurzeln des Hardbass liegen ursprünglich in einer Technorichtung aus dem Westen, auch „Pumping House“ genannt, die für ihr schnelles Tempo und den rhythmischen Bass bekannt ist. Das niederländische Duo Klubbheads ist ein gutes Beispiel für diese Musikrichtung. In Russland jedoch entwickelte sich „Pumping House“ zu einem sehr seltsamen Kulturphänomen.

Dabei war die Kombination aus „westlichen Rhythmen“ und die von Gopniks, also tatsächlichen und angehenden Kleinkriminellen, getragenen Trainingsanzüge für die Erfinder des Hardbass nichts weiter als ein Spaß, der die Menschen zum Lachen bringen sollte. Laut Lenta.ru war die Hardbass-Bewegung ursprünglich dazu gedacht, sich über „Rave-Gopniks“ lustig zu machen. Diese veranstalten Raves, ohne zu wissen, wofür diese Musik wirklich steht: Frieden, Liebe und Techno.

Und so kam es, dass vier Jungs aus Sankt Petersburg im Jahr 2010 ein YouTube-Video veröffentlichten, dass sich über den Tanzstil der Gopniks, bei dem man mit seinen Fußknöcheln und Beinen hin und her stampft, lustig macht. Ebenso wichtig ist es natürlich, während des Tanzens eine spezielle Geste mit seinen Händen zu machen, indem man sie zu Fäusten zusammenballt und den Daumen sowie den kleinen Finger herausstehen lässt.

Der Witz geht auf ihre Kappe

Der Text, der im Lied gesungen wird, ist eigentlich ganz einfach: „Ras-ras-ras, eto hard bass!“ Übersetzt heißt er so viel wie: „He-he-he, das ist der Hardbass!“ und beinhaltet im Laufe des Lieds noch ein wenig Propaganda für eine gesunde Lebensführung. Die Jungs äußern sich im Video dazu, dass chemische sowie alle Arten von Drogen ihre „Erzfeinde“ seien und dass sie statt Alkohol nur das russische Brotgetränk Kwas zu sich nähmen. Natürlich ist das Video auch als ironische Darstellung der Lebensweise der Gopniks gedacht, die vermeintlich „gesund“ leben, obwohl der „gesunde“ Aspekt lediglich darin besteht, dass sie jeden Tag einen Trainingsanzug tragen.  

Womöglich war diese Art von Ironie für viele Zuschauer zu subtil, denn viele Gopniks nahmen das Video ernst und konnten sich damit auf einer tieferen Ebene identifizieren. Was gibt es auch am Tanzen und guter Bassmusik auszusetzen? Und so begann dieses seltsame, extravagante und absurde YouTube-Phänomen nach und nach an Popularität zu gewinnen.

Mit der Zeit entstanden zwei Hardbass-Fanlager: Eines, das die Musik aufrichtig mochte, und ein anderes, das sich darüber lustig machte. Manchmal ist es aber tatsächlich schwer zu sagen, ob es sich nun in einem Video um echte Gopniks handelt, oder um jene, die sich darüber lustig machen – so auch im Falle eines kürzlich erschienen lustigen Videos, in dem Menschen in Trainingsanzügen zum Hardbass tanzen.

Politik und Memes

Die offizielle Internetseite der Hardbassfans, „hardbas.ru“, erzählt uns: „In der Hardbassphilosophie geht es um das Streben nach positiver Energie und über die Unlust, sich mit Hilfe von Drogen zu belügen. Hardbass hilft einem, das Leben heller und positiver zu machen.“ Das hat zwar einen prätentiösen Beigeschmack, aber wer sind wir, um das zu beurteilen?

Plötzlich schwenkt der Verfasser des Textes auf der Internetseite in eine etwas dubiose politische Richtung: „In vielen Städten gilt der Hardbass auch als die russische Variante zu „Lesginka“.“ Bei „Lesginka“ handelt es sich um einen kaukasischen Volkstanz, der auf offener Straße getanzt wird. Einige der politisch rechts gerichteten Aktivisten unter den Hardbassfans versuchten im Jahr 2013 sogar so etwas wie einen „Hardbass-Protesttanz“ in Moskau aufzuführen, wurden aber von der Polizei in Gewahrsam genommen.

Dennoch geht es beim Hardbass für gewöhnlich nicht um politische Themen. Dennoch hat die Musikrichtung Russland dabei geholfen, sich musikalisch vom Westen abzukoppeln, wenn auch auf seltsame Weise. Zahlreiche YouTube-Blogger versuchen nun den russischen Akzent nachzuahmen und sich wie ein russischer „Pazan“, eine etwas respektvolleres Wort als Gopnik, zu benehmen, indem sie in die Hocke gehen, Sonnenblumenkerne essen, Trainingsanzüge von Adidas tragen und natürlich zu hochwertigen Hardbassbeats tanzen. Wo eine Parodie doch manchmal hinführen kann.

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