Die Bewohner Sankt Petersburgs kleiden sich diskret. Sie schätzen bei der Kleidung vor allem Minimalismus, einen guten Schnitt und Originalität. Aus diesem Grund sind sogar Alkoholiker in dieser Stadt stilvoll gekleidet.
Die Sankt Petersburger können die Obsession mit Kleidung nicht nachvollziehen, insbesondere jene, die teuer ist und haben ein Faible für gute Second-Hand-Läden. Für sie stellt das Einkaufen in diesen Läden eine Art Volkssport dar. Zudem sind ihre Kleiderschränke voll mit Oberbekleidung, die für jede Saison passend ist.
Des Weiteren haben die Stadtbewohner die Angewohnheit, leise zu sprechen. „Wenn man jemanden sieht, der sich sehr laut über etwas unterhält, ist er in 75 Prozent der Fälle nicht von hier“, sagt Anja Panasjura aus Sankt Petersburg.
Eine Untergrund-Bar wird in dieser Stadt den teuren Nachtclubs immer vorgezogen und eine ruhige Feier zu Hause ist bei den Bewohnern beliebter als ein Stadionkonzert. „Auch wenn ein Sankt Petersburger die Möglichkeit hat, in einem schicken Restaurant zu speisen, wird er den Besuch auf einem Weingut oder einer kleinen Bar, die sich im Hinterhof irgendeiner Gasse befindet, vorziehen“, meint Dimitri Adamowitsch.
Der klassische Freitagabend der Stadtbewohner besteht darin, in eine der lauten Bars, die auf der Rubinstein Straße beginnen und auf der Dumskaja oder Konjuschennaja Straße enden, zu gehen.
Wegen des schrecklichen Wetters, das die meiste Zeit des Jahres herrscht, nehmen die Sankt Petersburger an den sonnigen Tagen gerne und nahezu überall ein Sonnenbad; ob nun in der Nähe ihres Hauses, in einem Stadtpark, einer Straße oder auf dem Rasen an den Mauern der Peter-und-Paul-Festung.
Ohne zu eilen! Spaziergänge sind ein wichtiger Teil des Alltags in Sankt Petersburg. Die Bewohner mögen keine starren Märsche von A nach B, sondern ziehen ein zielloses Schlendern durch ruhige Gassen vor. In der Regel versuchen sie, die mit Touristen überfüllte Hauptstraße Newski-Prospekt zu umgehen und lieber eine Seitenstraße zu nehmen.
Ein typischer Sankt Petersburger plant seinen Tag in Übereinstimmung mit der Zeit, in der die Brücken über der Newa geöffnet und wieder geschlossen werden. Wenn er zu spät kommt, muss er nach einem Ort suchen, an dem er zwischenzeitlich verweilen kann.
„Ein echter Sankt Petersburger wird nur dann einen Jeep kaufen, wenn er eine Datscha in der Leningrader Region hat“, schreibt der Internetnutzer Igs Brook. Es gibt einen unausgesprochenen Hass unter den Stadtbewohnern auf die Privatfahrzeuge, da sie die engen Straßen verstopfen. Die Menschen nutzen lieber die öffentlichen Verkehrsmittel wie Busse, Straßenbahnen oder die U-Bahn. Und wenn ein Sankt Petersburger die Rolltreppe hinunter rennt, dann meistens nicht, weil er zu spät kommt, sondern weil „es zu lang und zu langweilig ist, die Rolltreppe einfach hinunterzugehen."
Ebenso sind die Stadtbewohner für ihre ausgesprochene Unpünktlichkeit bekannt: 30 Minuten zu spät zu sein gilt in Sankt Petersburg nicht als Verspätung. Spät in der Nacht findet man die Leute oft sitzend auf der Rolltreppe vor. Und wenn sie sich ein Taxi nehmen müssen, machen sie es nach der russischen Tradition: Sie winken mit dem Arm auf der Straße, obwohl es in der Stadt durchaus Fahrdienste wie „Uber“ und „Gett“ gibt.
Die Sankt Petersburger sind sehr besitzergreifend, wenn es um ihre Stadt geht, und betonen oft, dass Rom und Paris nicht besser sind als Sankt Petersburg. Die russische Hauptstadt Moskau mögen sie nicht besonders, weil diese einst Sankt Petersburg den Rang als russische Hauptstadt ablief.
Wenn jemand nach Moskau zieht, gilt das nicht als Karriereaufstieg, sondern als „unvermeidliche Sünde“ und jeder, der dorthin zieht, träumt davon, wieder nach Sankt Petersburg zurückzukehren.
„Hier ist es normal, zum Einkaufen nach Finnland zu gehen, die Moskauer wegen ihrer Eitelkeit und Weltlichkeit zu kritisieren und nicht auf ein besseres Klima zu warten“, erzählt Anna Koroljowa.
Aufgrund der Kälte und Feuchtigkeit haben sich die Sankt Petersburger mit häufigem Schnupfen und Heiserkeit abgefunden. Sie glauben, dass sie einfach ein untrennbarer Teil des Stadtlebens sind.
Schweigsame und in sich gekehrte Menschen werden hier nie als traurig angesehen. „Ein eingefleischter Sankt Petersburger wird sich nie an der ihn umgebenden Schönheit erfreuen. Er wird immer über die Zerstörungskraft der Brücken und die Vergänglichkeit der Existenz nachdenken“, kommentiert Olga Christoljubowa ironisch.
In Stankt Petersburg weiß „jede Hausfrau“, wie es um den Petersburger Fußballverein Zenit bestellt ist. Daneben nutzen die meisten Einwohner gerne das soziale Netzwerk „Vkontakte“, dessen Büro sich am Newski-Prospekt befindet und haben eine Vorliebe für Kunst, auch wenn sie diese manchmal nicht verstehen.
„Sogar unverbesserliche Trinker in den sowjetischen Speiselokalen pflegten, zwischendurch an ihrem Portwein nippend, einen Eremitage-Skulpturenkatalog durchzublättern“, erinnern sich die Einwohner.
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