Vor einigen Jahren tauchte auf dem Flugplatz Orlowka in der Region Twer ein junger Bär auf, der sich auf der Suche nach Futter in die Nähe menschlicher Siedlungen begeben hatte.
Anstatt das hungrige Tier zu verjagen, nahmen die Piloten den Bären bei sich auf und gaben ihm den Namen Mansur. Mansur ist Altaisch (der Besitzer des Flughafens stammte aus der Region Altai) für Mischa, was sowohl die Kurzform von Michail als auch das russische Wort für Teddybär ist. Auf dem Flughafen fand Mansur schnell neue Freunde, darunter auch seinen besten Freund Andrej Iwanow.
„Wir haben natürlich nicht damit gerechnet, einen Hausbären zu bekommen. Er tauchte einfach auf“, erinnert sich Andrej. „Er war so groß wie ein Welpe und musste mit der Flasche ernährt werden. Er war wie ein Spielzeug. Im ersten Jahr können kleine Bären wirklich süß sein.“
Niemand wusste so recht, was man mit ihm machen sollte. Ihn in den Wald zurückzubringen, wäre das sichere Todesurteil für den kleinen Mansur gewesen. Er wusste nicht einmal, dass Bären im Winter für gewöhnlich schlafen. „Im ersten Winter mussten wir ihn warmhalten. Er wusste nicht, was mit ihm geschah und schlief oft auf meinem Schoß ein.“
Die Flughafenmitarbeiter wandten sich an das Umweltministerium der Region Twer, um sich professionelle Hilfe zu holen. Die Beamten vermittelten ihnen einen Experten, der Mansur eigentlich in das Seliger-Reservat bringen sollte. Tatsächlich brachte er ihn aber in eine Anlage, in der Hunde für die Bärenjagd trainiert werden. Andrej und seine Kollegen erfuhren aber rechtzeitig von Mansurs Schicksal und retteten ihn. Als der Bär seine Freunde vom Flughafen erkannte, sprang er regelrecht vor Freude. Ohne zu murren gab der Besitzer der Trainingsanstalt Mansur zurück.
„Es ist gut, dass wir ihn rechtzeitig gerettet haben. Zum Glück wusste er nicht, was mit ihm geschehen sollte“, sagt Andrej.
Da sich kein anderer Ort für ihn fand, kam er wieder mit auf den Flugplatz. Die Familie Paschetnow, die bekannt dafür ist, verwaiste Bären aufzupäppeln und auszuwildern, riet ihnen davon ab, Mansur in die Wildnis zurückzuschicken. Er war bereits zu sehr an den Menschen gewöhnt.
„Wenn ein Bär einen Menschen als Freund akzeptiert, hat er keine Angst mehr vor ihm“, erklärt Andrej. „Im ersten Jahr wäre es noch möglich gewesen, ihn auszusetzen. Er hätte höchstwahrscheinlich überlebt. Wenn der Bär sich aber an die Gesellschaft von Menschen gewöhnt hat, ist es zu gefährlich. Er hätte nach Menschen gesucht und wäre dabei vermutlich erschossen worden.“
So kam es, dass Mansur auf dem Flughafen blieb. Als er größer wurde, tauchte jedoch ein neues Problem auf: In Orlowka war nicht mehr genug Platz für ihn. Also zog Mansur in die Region Kaluga auf den größeren Flughafen Oreschkowo.
Über das Internet und die Medien erfuhren viele Menschen von der Geschichte des zahmen Bären und waren so berührt, dass sie insgesamt 4 Millionen Rubel spendeten (entspricht etwa 56.000€), um Mansur ein kleines Freiluftgehege im Wald in der Nähe des Flugplatzes zu finanzieren. Dort ist er sicher und hat viel Platz, um sich zu bewegen. Er kann Ameisen jagen, auf Bäume klettern und sogar Schwimmen gehen.
Mansur lebte sich schnell in seiner neuen Heimat ein. Auf dem Flugplatz sind immer Menschen: Wachen, Piloten und – zu Mansurs großer Freude – Frauen, die ihn füttern. Auch „Papa“ Andrej kommt ihn regelmäßig besuchen.
„Er ist ein gesunder, erwachsener Bär. Er ist 250 Kilo schwer und zweieinhalb Meter groß – für einen dreijährigen Bären ist das schon ordentlich“, meint Andrej. „Wenn ich ihn besuche, versuche ich immer erst rauszufinden, wie er gerade drauf ist. Wenn er gut gelaunt ist, kann man mit ihm in Kontakt treten, man darf sich ihm aber nicht aufzwingen. Wenn wir spielen, übertreibt er es oft. Dann muss man natürlich aufhören.“
Die Flugplatzmitarbeiter werden von Spezialisten des Moskauer Zoos beraten. Diese raten, niemals handgreiflich gegenüber einem kleinen Bären zu werden. Wenn ein Bär noch jung ist, ist ein Mensch stärker. Wenn er aber älter wird, erinnert sich der Bär daran, wie man ihn überwältigt hat und wehrt sich.
Auch Andrej meint: „In den meisten Fällen haben Bären, die Menschen angreifen, schlechte Erfahrungen mit Menschen gemacht.“ Daher betrachten die Angestellten des Flugplatzes Mansur als gleichberechtigt – niemand versucht, ihn zu erziehen. „Ein Bär ist kein Haustier. Er hat seine eigenen Meinungen und Wünsche. Wenn man ihn zu etwas bewegen will, muss man sein Interesse wecken. Wie bei einem Menschen“, meint Andrej.
Mansurs Leben auf dem Flughafen unterscheidet sich natürlich stark von dem Leben seiner Artgenossen in der Wildnis. Er interessiert sich zum Beispiel sehr für Technik. Als er noch klein war, kletterte der neugierige Bär gerne über die Flugzeuge und die Piloten nahmen ihn sogar einmal mit ins Cockpit.
„Als wir starteten, bekam er Angst. Er kletterte auf meine Knie, starrte aus dem Fenster und umklammerte mich fest. Dann fühlte ich etwas Warmes, Weiches und Stinkendes auf mir. Er hatte sozusagen vor Angst in die Hose gemacht“, lacht Andrej. „Als wir wieder landeten, lief er aber wieder fröhlich rum, als wäre nichts passiert. Fliegen ist offenbar nichts für ihn.“
Im letzten Winter hielt Mansur nicht einmal Winterschlaf. Andrej machte sich Sorgen, diese waren aber unbegründet. „Die Tierärzte konnten uns zwar keine Gründe nennen, versicherten uns aber, dass alles in Ordnung mit ihm war.“
Bis vor Kurzem konnte jeder, der wollte, kommen und Mansur sehen. Allerdings kamen so viele Besucher, dass die Flugplatzbetreiber die Anzahl limitieren mussten, um den Bären nicht zu sehr zu irritieren. Einige gaben ihm auch ungesundes Essen.
„Es gab Schlangen wie am Kreml oder im Moskauer Zoo“, erklärt Andrej. „Daher entschieden wir uns, nur noch Leute reinzulassen, die uns gleichzeitig etwas zur Hand gehen. So machen sie etwas Sinnvolles und können dabei auch Mansur sehen.”
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