Nawalny macht ein Selfie mit Usmanows Anwalt Genrich Padwa. / Reuters
Der russische Oligarch Alischer Usmanow steht mit einem Vermögen im Wert von 15,2 Milliarden US-Dollar auf Platz fünf der russischen Forbes-Liste und ist somit einer der reichsten Unternehmer des Landes. Denselben Usmanow beschuldigte die Antikorruptionsstiftung des Oppositionellen und Top-Bloggers Alexey Nawalny in einer Videoreportage, an einem geheimen Korruptionsimperium des russischen Minister-Präsidenten Medwedew beteiligt gewesen zu sein.
Eineinhalb Monate nach Veröffentlichung des Films reichte Usmanow Klage wegen Verleumdung und Rufschädigung gegen Nawalny ein. Noch im Vorfeld der Verhandlung posteten beide Beteiligte ihre Standpunkte als Video-Botschaften in den sozialen Netzwerken. Die Initiative ging dabei von Usmanow aus, sie endete mit Folge zwei, in der Usmanow eine öffentliche Debatte mit Nawalny verweigerte und dem Blogger versprach, dass sie sich vor Gericht wiedersehen würden.
Am 30. Mai verhandelte die Klage nun ein Moskauer Gericht. Und Nawalny musste eine erste echte Niederlage einstecken.
Nawalny behauptete in seinem Enthüllungsfilm „Nennen Sie ihn nicht Dimon“: „Der Rohstoffoligarch und einer der reichsten russischen Unternehmer schenkt einer dem Ministerpräsidenten nahestehenden Stiftung eine teure Villa in der Rubljowka (gemeint ist die Rubljowo-Uspenskoje Chaussee, wo viele russische Politiker und VIPs leben – Anm. d. Red.). Wir alle verstehen doch, was solch ein Geschenk bedeutet – das ist Bestechung.“ Der Film wurde bei YouTube mehr als 21 Millionen Mal geklickt. Die Enthüllungen gelten als Anlass für die großen Antikorruptionsproteste Anfang Mai.
Nach Angaben der Antikorruptionsaktivisten kostete die gemeinte Villa samt Grundstück von 4,3 Hektar ganze fünf Milliarden Rubel (etwa 80 Millionen Euro). Offiziell gehören beide seit 2010 der sozialen Stiftung „Sozgosprojekt“. Ihr Aufsichtsratsvorsitzender Ilja Jeliseew wiederum ist ein Schulkamerad von Premier Medwedew. Und gleichzeitig auch Vorstandsvorsitzender der Gazprombank, einer der größten Banken Russlands. „Diese Stiftung hat nichts mit Wohltätigkeit zu tun und ist überhaupt nicht präsent. Niemand macht solche Geschenke. Also, wir haben verstanden, dass hier etwas nicht sauber ist“, sagte Nawalny.
Usmanow und Jeliseew gaben dazu an, das sei ein Geschäft und keine Bestechung gewesen. Die Villa wollte Usmanow einst für seine Schwester gebaut haben, erzählte er der Zeitung Wedomosti im Interview. Sie aber habe dort nicht wohnen wollen. Dann habe Usmanow Jeliseew, den er noch von der Arbeit aus der Gazprombank kenne, vorgeschlagen, die Grundstücke doch zu tauschen. Jeliseew betreibe ein Developer-Projekt, Usmanow besaß bereits ein Grundstück in der Rubljowka und wollte durch den Tausch seinen Besitz vergrößern. Am Ende hätten beide profitieren sollen.
Der Unternehmer Usmanow ist einer der reichsten Geschäftsleute Russlands. / Iliya Pitalev/RIA Novosti
Die Vorwürfe Nawalnys bezeichnete Usmanow als Verleumdung und wandte sich an das Gericht. Im Gegenzug bezeichnete Nawalny den Unternehmer als Verbrecher, der wegen Betrugs und auch Vergewaltigung verurteilt worden sei. Außerdem wirft der Blogger Usmanow Steuerhinterziehung und Zensur in dessen Kommersant-Medienholding vor.
Usmanow war bei der Sitzung im Gericht im Moskauer Stadtteil Ljublino selbst nicht anwesend. Videoaufnahmen und Live-Übertragung waren nicht erlaubt, obwohl keine der beiden Seiten dagegen waren.
Usmanows Verteidiger teilte mit, dass sie die Schenkung der Villa an die Stiftung nicht bestreiten, dass dies aber keine Bestechung gewesen wie und die Stiftung auch keine Verbindungen zum russischen Premier unterhalte. Die Villa sei der Stiftung gespendet worden, fügte Rechtsanwalt Genrich Padwa hinzu. „Der Kern unseres Rechtsstreits besteht darin, dass ich eine Schenkung als Bestechung bezeichne und Usmanow – nicht. Aber dann wollen wir doch den Schenkungsvertrag ansehen“, sagte Nawalny vor Gericht.
Alle Anträge Nawalnys lehnte das Gericht ab. „Die Ladung unserer Zeugen wurde abgewiesen, weil sie nichts angeblich mit dem Fall zu tun hätten“, beschwerte sich der Oppositionspolitiker in einer Pause vor der Presse. „Die Stiftung Sozgosprojekt habe nichts mit ihrem Gründer zu tun, auch der Leiter habe nichts damit zu tun. Also hat niemand was damit zu tun. Wir bitten das Gericht, die Dokumente des Katasteramtes zu den Akten zu nehmen. Dieser Antrag wurde auch abgelehnt.“Nawalnys Verteidiger schlugen als Zeugen Premier Medwedew sowie Vize-Premier Igor Schuwalow vor. Auch abgelehnt.
Am Abend des ersten Verhandlungstages dann wurde klar: Usmanow ist, so stellte es das Gericht fest, verleumdet und sein Ruf geschädigt worden. Nawalny muss binnen 10 Tage die betreffenden Videoclips und Beiträge löschen. Spätestens in drei Monaten müssen auf denselben Adressen Richtigstellungen erscheinen.
Der Oppositionelle will nun in Berufung gehen. „Das, was wir hier heute gesehen haben, kann man nicht als Gerichtsprozess bezeichnen“, kritisierte Nawalny nach dem Urteilsspruch.
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