/ Egor Aleev/TASS
Ausländische Weine könnten bald schon aus den Regalen russischer Supermärkte verschwinden. Das Finanzministerium des Landes hat die ermäßigte Verbrauchssteuer auf Importweine vor wenigen Tagen per Dekret aufgehoben. Das russische Wirtschaftsblatt „Kommersant“ rechnet vor, dass durch den Beschluss des Ministeriums bis zu 80 Prozent der ausländischen Weinmarken für den russischen Verbraucher unerschwinglich würden.
Bislang konnten bestimmte Importweine mit einem Steuerrabat gehandelt werden. Dies galt für Produkte mit einem „geschützten geografischen Kennzeichen“ und einer „geschützten Herkunftsmarke“. Nun will das Finanzministerium die heimischen Weinproduzenten schützen. Die ermäßigte Steuer soll demnach nur noch für russische Weine gelten.
Die besondere Crux: Weinimporteure werden die erlassene Steuer unter Umständen rückwirkend nachzahlen müssen. Bis zu 24 Millionen Euro wären dann nach Einschätzung von Experten fällig. Außerdem müssten die Importeure weitere 16 Millionen Euro pro Jahr für die reguläre Weinsteuer aufbringen. Stehen Händler ausländischer Weine nun vor dem Aus?
Betroffen wären Firmen mit einer russischen Lizenz für den Weinimport. „Das können auch Gemeinschaftsunternehmen von russischen und ausländischen Firmen sein“, sagt der Marktforscher und Branchenkenner Wadim Drobis im Gespräch mit RBTH. „Überwiegend aber sind es russische Großhändler, die Importweine an Supermärkte und Restaurants mit europäischer Küche liefern.“
Sollte die Weinsteuer tatsächlich rückwirkend erhoben werden, würden einige Firmen vom Markt verschwinden, so der Experte. „Dies wären aber nicht mehr als zehn Prozent der Importeure. Ausländische Hersteller, die für den russischen Markt produzieren, wären dann zeitweise zum Stillstand gezwungen. Doch dann kommen neue Importeure auf den Markt und die Arbeit geht weiter“, sagt Drobis.
Andere Experten sehen die Folgen der neuen Regelung weniger optimistisch: „Wenn man die fällige Weinsteuer auf die 20 bis 30 größten Importeure verteilt, kommt für jeden einzelnen ein rundes Sümmchen zusammen“, sagt der Vorsitzende des russischen Weinbauer- und Winzerverbandes Leonid Popowitsch. Zwischen 600 000 und eineinhalb Millionen Euro müsste jeder einzelne Importeur an den Fiskus abführen. Pleiten und eine daraus folgende Marktbereinigung wären die Folge, ist der Verbandsvorsitzende überzeugt.
Noch aber streiten die Händler und das Ministerium über die Nachzahlung der Steuer, beschlossen ist bislang nichts. Dieser Tage wollen sich die Weinimporteure und das russische Zollamt zu Gesprächen treffen. Das Zollamt ist für die Erhebung der Steuer zuständig. Die Erfolgsaussichten für die Händler: „Fünfzig zu fünfzig“, sagt der Branchenexperte Drobis.
Der Marktkenner Wadim Drobis sieht allerdings andere Gründe für die Zunahme des Imports. Nach dem Rubelsturz Ende 2014 seien ausländische Weine für Russen doppelt so teuer geworden. Im Jahr 2015 sei dann der Weinimport um 40 Prozent eingebrochen. Jedoch erhole sich der Markt langsam wieder: „Russlands Frauen – vor allem sind sie es ja, die ausländischen Wein trinken – wollen wieder Romantisches und Exotisches“, sagt der Experte. Seit der zweiten Hälfte 2016 stiegen die Nachfrage und dementsprechend auch der Import wieder. „Also hat das Finanzministerium beschlossen, die Situation für sich zu nutzen und die Steuer anzuheben“, resümiert er.
In einem sind sich die Experten einig: Für Verbraucher werde die Maßnahme des Ministeriums kaum zu spüren sein. Denn eine Flasche ausländischen Qualitätswein werde nach der Aufhebung des Steuerrabats um lediglich 30 bis 40 Cent teurer. Wer sich eine Flasche für sieben bis zehn Euro leisten könne, werde deshalb wohl kaum auf den Weingenuss verzichten.
Die ermäßigte Verbrauchssteuer auf Wein wurde in Russland im Januar 2016 eingeführt. Sie betrug acht Cent pro Liter – bei 14 Cent pro Liter für nicht subventionierte Weinsorten. Für Schaumweine war der Steuerrabatt noch größer: 21 Cent pro Liter erhob der Fiskus auf geschützte Weinsorten – 42 Cent auf andere Marken. Das „geschützte geografische Kennzeichen“ ist in Russland so definiert, dass der Wein in einer bestimmten Region hergestellt wurde. Die „geschützte Herkunftsmarke“ verweist hingegen auf einen konkreten Anbauort oder ein konkretes Weingut.
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