Die russische Wirtschaft hat Ende des Jahres 2017 mit einem Anstieg des Bruttosozialprodukts um 1,6 Prozent Schwung aufgenommen. Die Landwirtschaft steigerte sich gar um 2,6 Prozent, erklärte Präsident Putin in einer Rede am 11. Januar. Die Regierung geht von einem weiteren Wachstum aus. Ist es also für potenzielle Investoren der perfekte Zeitpunkt, ihre Pläne in Angriff zu nehmen?
Wir fragten russische Experten nach ihrer Prognose für das bevorstehende Jahr und baten sie auch darum, die Wirtschaftsbereiche mit den besten Gewinnchancen aufzulisten (vorab: es sind eine ganze Menge).
Die russische Wirtschaft wird im laufenden Jahr in etwa das gleiche Wachstum aufweisen wie 2017, erwartet Iwan Karjakin, Analyst bei Global FX. “Die wichtigsten Rahmenbedingungen werden diegleichen bleiben. Der Ölpreis, sogar wenn er schwankt, wird nicht unter 55 US-Dollar pro Barrel fallen, der Rubel wird stabil bleiben, die Inflationsrate wird sich bei vier Prozent einpegeln und das Wirtschaftswachstum wird zwei Prozent nicht übersteigen, so Karjakin. Die Realeinkommen, so ergänzt er, werden sich kaum verändern.
Roman Aljochin, Gründer des Anwaltsbüros Aljochin und Partner, glaubt, dass das Wirtschaftswachstum gering sein wird, vielleicht sogar stagniert. Ein günstiger Anstieg des Ölpreises könnte die Wirtschaft beflügeln. Gleichzeitig könnten Probleme entstehen, wenn noch mehr Banken ihre Lizenz verlieren und geopolitische Überlegungen zu noch mehr Sanktionen führen.
Während Aljochins Prognosen eher pessimistisch klingen, hören sich andere Experten weit optimistischer an. Eldijar Muratow, Präsident des Büros von Castle Family in Singapur, meint, dass selbst wenn das Wirtschaftswachstum geringer ausfällt als im vergangenen Jahr, die Wirtschaft auf soliden Pfeilern steht.
“Andererseits könnte die Wirtschaft sogar in den nächsten zwei Jahren eine positive Überraschung darstellen und 2018 um 2,8 Prozent und 2019 sogar um noch etwas mehr steigen, sogar wenn der Ölpreis unter 55 US-Dollar per Barrel fällt“, glaubt Muratow. “Das liegt etwas über den aktuellen Erwartungen“.
Niemand sollte große Überraschungen hinsichtlich des Umtauschkurses des Rubels erwarten. “Der Kurs des US-Dollar hat sich bei einem Dollar pro 60 Rubel festgesetzt, und diese Relation wird sich höchstwahrscheinlich nicht verändern“, erklärt Muratow.
Einige Analysten gehen sogar von einer Stärkung des Rubels aus. Peter Puschkarjow, Chefanalyst bei TeleTrade, meint, dass der Wechselkurs sogar etwa 53-55 Rubel für einen US-Dollar erreichen könnte, was die Investitionen in Rubel attraktiver machen würde.
“Um auf der sicheren Seite zu sein, kann man jederzeit an der Moskauer Börse Geschäfte auf Dollar- oder Eurobasis absichern lassen“, rät Muratow.
Einige Ereignisse werden zwar für die politische Entwicklung des Landes wichtig sein, auf die Wirtschaft werden sie sich kaum auswirken. Die Bauarbeiten für die Fußballweltmeisterschaft sind fertig, die notwenige Infrastruktur geschaffen. Allerdings könnten die vielen Fußballfans, die nach Russland kommen werden, den Rubel-Kurs positiv beeinflussen. Die Präsidentschaftswahlen im März werden keine wesentlichen Auswirkungen auf die Wirtschaftspolitik mit sich bringen.
“Wladimir Putin hat keine Strategie für die wirtschaftliche Entwicklung, weil er keine braucht“, meint Karjakin. “Die Politik eines neuen Staatschefs wird in Form von Dekreten verkündet, die weitestgehend sozial-populistische Ziele verfolgen und mit mehr Ausgaben aus dem Staatshaushalt verbunden sind.“
Im Finanzsektor bieten Anleihen eine sehr gute Investitionsmöglichkeit, sagt Puschkarjow, da die Erträge festgeschrieben und nicht an die wirtschaftliche Entwicklung gekoppelt seien. Ebenso wie im letzten Jahr würden sich auch Anleihen in sogenannten “carry trade”-Geschäften lohnen, ergänzt Karjakin.
Gute Möglichkeiten würden sich auch in der Informationstechnologie, im Automobilbau, im Bergbau, in der Holzwirtschaft, in der Landwirtschaft und dem Tourismus eröffnen. Es lohnt sich, sich die staatlich geförderten Sektoren und Projekte anzusehen, da diese eine höhere Rendite abwerfen als sonst im Markt üblich.
In der Landwirtschaft, zum Beispiel, könnte man Investitionen in die Infrastruktur oder die Nahrungsmittelproduktion in Erwägung ziehen. Im Tourismus könnte es sich auszahlen, in solche Infrastrukturprojekte wie Hotels, Restaurants und Transportmittel zu investieren. Das allerdings müsste man in den Regionen tun und nicht gerade in den großen Städten, empfiehlt Karjakin.
“Die Krim ist ein sehr interessanter Investitionsstandort. Während sie von westlichen Sanktionen betroffen ist, eröffnen solche Risiken gleichzeitig große Chancen für all jene, die dorthin gehen“, erklärt Karjakin. “Früher oder später wird das Krim-Problem gelöst sein und die Krim wird sich immenser Investitionen aus allen Teilen der Welt erfreuen. Dann allerdings wird es zu spät sein. Gegenwärtig kommen die mutigsten Investoren aus China, was schade ist.“
Die Experten sagen übereinstimmend, dass der russische Markt noch viele nicht ausgeschöpfte Möglichkeiten biete oder es an echtem Wettbewerb fehle. Das genau seien die Bereiche mit der besten Rendite.
Es ist nicht leicht, geschäftlichen Erfolg in Russland zu haben und es gibt die eine oder andere rechtliche und finanzielle Herausforderung. Nichtsdestotrotz feiern viele Unternehmer große Erfolge. Lesen Sie deren Insider-Tipps hier.
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