Michail Gorbatschows Feldzug gegen Alkoholmissbrauch begann 1985 und dauerte zwei Jahre. Die Maßnahmen der Anti-Alkohol-Kampagne schienen vielen zu drastisch zu sein: ein starker Anstieg der Preise, die Schließung von Spirituosenläden, das Alkoholverbot bei Festlichkeiten wie Hochzeiten und sogar das Ausrotten der Weinberge in mehreren sowjetischen Regionen.
Diese Politik führte zu einem drastischen Anstieg des Schwarzhandels und, wie Gorbatschow später selbst zugab (rus), erhöhte die Produktion illegaler Spirituosen. Mit Hilfe der Destillationsapparaturen wurde selbstgemachter Schnaps in ungekanntem Ausmaß gebrannt. Gleichzeitig aber konnte die Anti-Alkohol-Kampagne die Lebenserwartung der Bevölkerung deutlich erhöhen und die Sterblichkeitsrate spürbar senken.
Die Perestroika war auch die Zeit von Glasnost, der Pressefreiheit und dem Ende der Zensur. Dies ließ die Zeitungsauflagen stark wachsen. Die Wochenzeitung Argumenty i Fakty (Argumente und Fakten) schaffte es mit 33,5 Millionen Exemplaren im Jahr 1990 sogar ins Guinness-Buch der Rekorde.
Ähnliche Situation erlebten auch die monatlichen Literaturzeitschriften. Sie waren zwar auch schon vor der Perestroika populär, hatten aber keine Millionenauflage. Aber mit der Glasnost begann man mit der Veröffentlichung ganzer Romane, die früher verboten waren. Die Auflage des berühmtesten Literaturmagazins Novyi Mir (Neue Welt) im Jahr 1991 betrug 2,7 Millionen Exemplare. Zum Vergleich: Heute verkauft es nur noch 7200 (rus).
Nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte die sowjetische Computerindustrie zu den weltweit führenden. Während der Stagnation unter Breschnew jedoch begann sie, ihre Position zu verlieren.
Nachdem der erste Computer für den Heimgebrauch im Westen in den späten 1970er Jahren in die Massenproduktion gegangen war, begann die Sowjetunion mit der Entwicklung eigener Heimcomputer. Die Perestroika hat diesen Prozess angekurbelt, da viele Unternehmen gezwungen waren, von Rüstungsgütern zur Computerproduktion zu wechseln. Auch in Schulen hielt der Informatikunterricht Einzug.
Der erste sowjetische IBM-kompatible Computer “Assistant-128” wurde zusammen mit der “Elektronika BK” und dem “Korvet”, der in Schulklassen verwendet wurde, hergestellt. Es gab auch mehrere Kopien westlicher Geräte wie Vektor und Vesta. Solche Computer wurden bis Anfang der 1990er Jahre hergestellt. Aber mit dem Fall der Sowjetunion gehörten sie plötzlich in den Mülleimer der Geschichte.
Während der Perestroika stürmten die Videokassetten und Videorekorder das Land. Nur wenige konnten es sich leisten, einen Videorecorder zu kaufen. Außerdem waren sie auch schwer zu bekommen. Deswegen schossen Video-Salons in den späten 1980er Jahren wie Pilze aus dem Boden. Das waren kleine öffentliche Orte, die Filme auf einem einfachen Videorekorder zeigten. Wegen der niedrigen Preis waren sie bei Jugendlichen sehr beliebt. Dort konnte man Hollywood-Filme sehen wie zum Beispiel „Rocky“- und „Rambo“-Filme mit Sylvester Stallone.
Die Perestroika veränderte nicht nur die Trink- und Lesegewohnheiten der Sowjetmenschen, sondern auch ihr Aussehen. Jeans waren in der UdSSR nicht so verbreitet wie im Westen, aber die Nachfrage war hoch. Als während der Perestroika die Grenzen teilweise geöffnet wurden, besetzten die sogenannten Shuttle-Händler diese Nische. Damals konnte man aber keine fertigen stonewashed Jeans kaufen, daher haben findige Russen ganz normale Jeans in Heimarbeit gekocht – daher der Begriff „Warjonki-Jeans“, zu Deutsch „gekochte Jeans“. Dank der Shuttle-Händler war die polnische Jeansmarke Mawin extrem beliebt.
Lebensmittelmarken sind wahrscheinlich das allgegenwärtigste Symbol der Perestroika-Ära. Gorbatschows Wirtschaftsreformen scheiterten und das Land geriet in eine tiefe Krise, die in den Jahren 1988 bis 1992 ihren Höhepunkt erlebte, als Fleisch, Butter, Zucker, Seife, Waschmittel und vieles mehr nur noch über Lebensmittelkarten verteilt wurden.
Die Lebensmittelrationen für einen Monat bestanden (rus) normalerweise aus Zucker (1 kg), Mehl (1 kg), 15 Packungen Zigaretten und zwei Kilo Fleisch pro Person. Das System verschwand nach der Preisliberalisierung 1992.
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