Warum klatschen Russen im Flugzeug?

Warwara Grankowa
Wenn Sie schon einmal mit Russen in einem Flugzeug geflogen sind, haben Sie sich vielleicht gewundert, warum nur nach der Landung alle den Piloten applaudieren. Erklärungsversuche für dieses Verhalten gibt es mehrere.

Russen haben natürlich, von außen betrachet, eine Menge irgendwie ungewöhnliche Angewohnheiten

Aber diese russiche Tradition, nicht nur nach besonders schwierigen oder turbulenten Flügen, sondern nach jeder Landung, die die Landebahn nicht verfehlte, zu applaudieren, gehört zu den wohl ungewöhnlichsten. Denn da fragt sich doch: Warum klatschen Sie denn dann einem Busfahrer nicht nach einer gelungenen Fahrt?

Version 1: Vom Westen gelernt

Piloten der zivilen Luftfahrt meinen: "Nicht die Russen haben der ganzen Welt das Klatschen beigebracht, der Westen hat angefangen!" Die Russen hätten ka erst nach dem Fall des "Eisernen Vorhangs" in den 90ern erst wirklich ins Ausland reisen und fliegen können. Und dort hätten sie dann klatschende Europäer - womöglich Italiener - gesehen und gemeint, dass das dann wohl so gemacht werden müsse.

Während jene Europäer diese Angewohnheit nun aber mittlerweile schon wieder hinter sich gelassen hätten und nur noch nach besonders nervenaufreibenden Flügen klatschten, bleiben die traditionellen Russen bei der neuen angewohnheit und klatschen nach jedem Flug. 

Aber: Die Piloten, denen der Applaus ja sicher gelten soll, können ihn durch ihre zusätzlich gesicherte Tür gar nicht hören. Die Stewardessen erzählen es ihnen dann meist per Funk.

Version 2: Menschen im Stress

Russen unterscheiden sich zwar durch keinerlei Neigung zur Flugangst von den Bürgern anderer Staaten, gestresst sind sie dennoch wie jeder andere im Flieger. Indem sie am Ende klatschen, machen Sie sich sozusagen Luft, meint die Psychologin Tatjana Wolkowa, die sich auf Aerofobie spezialisiert hat. "Für diese Erklärung spricht auch, dass in Charterflügen häufiger geklatscht wird. Denn mit denen fliegen ja meistens Menschen, die nur ein-zwei Mal im Jahr in den Urlaub fliegen und darum natürlich besonders nervös."

Und so gebe es dann eben auf jedem Flug einen "Solisten", der anfange. Und dann täten es ihm einfach gerne alle gleich nach.

Version 3: Nachrichten über Flugzeugkatastrophen

Ein anderer Grund liegt womöglich in der besseren Verfügbarkeit von Nachrichten. Und so hört man immer wieder davon, dass Flugzeuge eben - wenn auch sehr selten - abstürzen können. Noch in den 80ern und 90ern erfuhren die Menschen nicht immer sofort von all diesen Zwischenfällen. Erst später erfuhren viele von den Unfällen - und freuen sich nun nach jedem Flug, dass sie noch am Leben sind. 

Ungeachtet der Statistik der Toten durch Flugzeugabstürze, wonach das Flugzeug das sicherste Verkehrsmittel überhaupt darstellt, reisen viele Russen doch lieber auf dem Landweg. 

Laut einer WZIOM-Umfragе von 2016 flogen 69 Prozent der Russen in den letzten zwei-drei Jahren nicht ein einziges Mal.

Version 4: Vorbild Kino

1974 kam die sowjetisch-italienische Co-Produktion "Die unglaubwürdigen Abenteuer der Italiener in Russland" in die Kinos der UdSSR und wurde zum Blockbuster. Darin gibt es eine Szene mit einer völlig verrückten Landung eines Passagierfliegers auf einer Chaussee, in der der Flieger in mehrere Autos rast. Diese Szene ist vielen noch gut in Erinnerung. Und der anschließende Ausspruch "Bravo für unseren russischen Piloten!" ist heute auch außerhalb des Fliegens üblich.

Version 5: Schuld ist die russische Seele

Und so mancher erklärt es sich so: "Wir feiern eben gerne auch kleine Ereignisse", heißt es dann. Die emotionale russische Seele muss es also sein.

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